Osteuropäischer Tiger bietet Chancen
Die Analysten der Privatbank Berenberg halten den rumänischen Aktienmarkt für besonders attraktiv. Hohes Wirtschaftswachstum, noch sehr niedrige Arbeitskosten und eine mögliche Hochstufung auf Emerging-Market-Status sprächen für das osteuropäische Land.ku Frankfurt – Die Analysten der hanseatischen Privatbank Berenberg halten in einer jetzt vorgelegten Top-down-Analyse den rumänischen Aktienmarkt für besonders attraktiv. Die Experten der Bank bezeichnen das Land als den “osteuropäischen Tiger”. Rumänien sei die am schnellsten wachsende europäische Volkswirtschaft. Der Aktienmarkt des Landes sei mit der weltweit höchsten Dividendenrendite besonders attraktiv. Es bestehe zudem die Chance, dass die Indexanbieter MSCI und FTSE das Land in den kommenden Jahren von einem Frontier Market zu einem Emerging Market hochstufen, was dann in großem Umfang Investorengelder anlocken würde.Für das Land spricht nach Ansicht von Berenberg gleich eine ganze Reihe von Gründen. So sei Rumänien im Durchschnitt der Jahre seit 2000 auf einen jährlichen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 3,6 % gekommen, während die gesamte EU in dieser Zeit einen Wert von durchschnittlich 1,2 % aufweise. Im laufenden und im kommenden Jahr soll sich das Wachstumsgefälle noch auf 3 Prozentpunkte vergrößern: Die Ökonomen der Bank gehen für Rumänien von einem Anstieg des Bruttoinlandsproduktes um 4,5 % pro Jahr aus und für die Gesamt-EU von 1,5 %.Rumänien habe zudem die zweitniedrigsten Lohnkosten innerhalb der EU von durchschnittlich 5 Euro je Stunde, verglichen mit einem europaweiten Durchschnitt von 25 Euro. Dabei sei die rumänische Bevölkerung vergleichsweise gut ausgebildet. Der Anteil der erwachsenen Einwohner mit Abitur oder vergleichbaren Abschlüssen betrage 55 %, in den 28 Staaten der EU liegt er bei lediglich 46 %. Rumänien komme zudem europaweit auf die größte Zahl von ausgebildeten IT-Spezialisten. Deutliche LohnanstiegeDie internationale Wettbewerbsfähigkeit des Landes werde durch Reformen und niedrige Steuern erhöht. Rumänien liege zwar hinsichtlich seiner Infrastruktur und der Zahl von langlebigen Konsumgütern wie Pkw pro Einwohner deutlich unter dem Durchschnitt der EU, damit ergebe sich aber viel Raum zum Aufholen, wenn sich das Land langsam dem Niveau der anderen europäischen Ländern nähere. Das Land verzeichne derzeit Lohnanstiege mit einem zweistelligen Prozentsatz, was dem Wirtschaftswachstum zugutekomme.Die Risiken, die sich mit dem Land verbinden, hätten sich in den letzten Jahren verringert. Zwar leide Rumänien immer noch unter einem hohen Leistungsbilanzdefizit und einem Defizit des Staatshaushaltes, weshalb es während der Finanzkrise als besonders anfällig gegolten hatte. Allerdings gebe es deutliche Verbesserungen. So sei das Haushaltsdefizit von 9,1 % im Jahr 2009 auf nur noch 1 % im vergangenen Turnus gesunken. Rumänien weise zudem niedrigere Spreads für Kreditausfall-Swaps und ein besseres Kreditrating als Ungarn auf. Rating und CDS-Spreads seien etwa auf einem Niveau mit Italien. Im Finanzsektor habe es bei den notleidenden Krediten einen starken Rückgang gegeben. Die Banken des Landes befänden sich in einem guten Zustand, was Raum für Kreditwachstum gebe.Das Land am Karpatenbogen habe derzeit eine von Technokraten beherrschte Regierung, die sich auf EU-Kurs befinde, Privatisierungen vorantreibe und die Korruption bekämpfe. Zwar stehe Rumänien vor Wahlen, es sei aber zu erwarten, dass sich auch die neue Führung auf die finanzielle Konsolidierung konzentriere. Die gegenwärtige Regierung unterstütze die Pläne für einen Börsengang von Hidroelectrica, des großen staatlich kontrollierten Stromerzeugers. Es würde sich damit um das größte Initial Public Offering (IPO) an der Bukarester Börse handeln. Land wird übergewichtetMit Blick auf die Konsensschätzungen für das laufende Jahr zeige der rumänische Aktienmarkt weltweit die höchste durchschnittliche Dividendenrendite. Unternehmen wie Banca Transilvania, Romgaz und Transgaz kämen sogar auf Ausschüttungsquoten von mehr als 10 %. Dies locke Investoren an. Gemäß Daten des Datendienstleisters EPFR gewichten Anleger das Land um 50 Basispunkte höher, als es seinem Anteil am MSCI Frontier Market Index entspricht. Die Analysten erwarten, dass die großen Indexanbieter das Land auf Emerging-Market-Status hochstufen. Dabei könne insbesondere das IPO von Hidroelectrica helfen, die Anforderungen etwa von MSCI zu erfüllen. Die Berenberg-Experten gehen davon aus, dass eine Hochstufung bis zu 1,4 Mrd. Dollar an Investorengeldern anziehen könnte. Risiken im BankensektorAllerdings werden auch Risiken gesehen, und zwar vor allem im Bankensektor. So könne sich wie in Polen der Druck auf die Kreditinstitute wegen der umfangreichen Hypothekarkredite in ausländischen Währungen erhöhen. Die Regierung könne noch höhere Konzessionen von den Banken verlangen. Es gebe bereits ein neues Gesetz, das es Hausbesitzern erlaube, sich von den Hypothekarkrediten zu befreien, indem sie den Banken ihre nach dem Platzen der Überbewertungsblase am Immobilienmarkt niedriger bewerteten Häuser übereignen. Dies liefe für den gesamten rumänischen Bankensektor auf Verluste von 2,8 Mrd. Leu hinaus (umgerechnet 620 Mill. Euro). Die rumänische Notenbank beziffert die Differenz zwischen dem Marktwert der beliehenen Häuser und dem Volumen der Hypothekenkredite sogar auf 8 Mrd. Leu (1,8 Mrd. Euro).