Marktchancen 2013

Renditejagd der Investoren spricht für Europas Aktien

Umfrage: Banken trauen Euro Stoxx 50 moderaten Anstieg zu - Hoffnungen ruhen auf konjunktureller Erholung - Schuldenkrise als Unsicherheitsfaktor

Renditejagd der Investoren spricht für Europas Aktien

Von Thorsten Kramer, FrankfurtDie Staatsschuldenkrise in der Eurozone und die geringe Dynamik der Weltwirtschaft stimmen die Anlagestrategen vieler internationaler Banken vorsichtig: Dennoch trauen sie europäischen Aktien mit Blick auf das Jahresende 2013 einen moderaten Anstieg zu. Chancen für die Investoren sind nach Einschätzung der Analysten insbesondere mit der Hoffnung auf eine konjunkturelle Belebung im Verlauf des Jahres verbunden. Die könnte dem Markt bereits ab dem zweiten Quartal Impulse liefern, tendenziell allerdings erst in der zweiten Jahreshälfte.Vor zwölf Monaten fielen die Kommentare vieler Marktanalysten mit Blick auf das Börsenjahr 2012 sehr ähnlich aus. Auch damals führten sie die hohe, von der Staatsschuldenkrise und der konjunkturellen Abkühlung ausgehende Verunsicherung an, um ihre zumeist sehr zurückhaltenden Prognosen zu begründen. Selbst dem deutschen Aktienmarkt trauten die Experten damals im Durchschnitt lediglich einen Anstieg um knapp 10 % zu. Einen Indexstand jenseits von 7 000 Zählern, der längst Realität ist, hatten damals dagegen nur wenige auf dem Zettel. Tatsächlich schaffte der deutsche Leitindex aber einen Anstieg um deutlich mehr als 20 %. Dax auf RekordniveauFür das neue Börsenjahr fallen die Prognosen erneut recht zurückhaltend aus. Den Dax erwarten einige Häuser wie die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) und die Commerzbank auf einem Rekordniveau zwischen 8 200 und 8 500 Punkten, für den Euro Stoxx 50, in dem 50 Schwergewichte aus der Eurozone zusammengefasst sind, sehen die meisten hingegen nur etwas Potenzial. Wie das Ergebnis einer Umfrage der Börsen-Zeitung zeigt, an der sich 20 Institute aus Deutschland und dem Ausland beteiligten, errechnet sich aus den einzelnen Prognosen der Aktienstrategen für das Jahresende 2013 ein Indexstand von knapp 2 800 Zählern. Basierend auf dem Stand des Euro Stoxx 50 zum Zeitpunkt der Umfrage Anfang Dezember besitzt der Index somit lediglich ein recht geringes Potenzial in Höhe von 8,6 %. Sehr auffällig dabei ist, dass viele der einzelnen Prognosen recht nah an dem Durchschnittswert liegen: Um zumindest 150 Zähler nach oben oder unten weicht lediglich jede vierte Prognose ab. Den größten Optimismus zeigt dabei das japanische Brokerhaus Nomura mit 3 050 Zählern. Die größten Skeptiker arbeiten bei der französischen Société Générale, die den Euro Stoxx 50 in einem Jahr lediglich bei 2 590 Stellen sieht. Kontrast zum VorjahrSicherlich ist zu konstatieren, dass insbesondere von der Staatsschuldenkrise eine neue Belastung für die Aktienmärkte ausgehen könnte. Dies ist ein klarer Kontrast zum nun abgelaufenen Börsenjahr, in dem die Angst vor einem Auseinanderbrechen der Eurozone allgegenwärtig blieb, bis Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank, die Anleger mit der Aussage beruhigte, die Notenbank werde alles in ihrer Macht Stehende dafür tun, die Eurozone zu stabilisieren. Daraufhin steuerten Investoren Milliardenbeträge zurück an Europas Börsen und initiierten damit eine rasante Rally. Zuvor war der Euro Stoxx 50 bereits bis in die Nähe der 2 000-Punkte-Schwelle abgesackt.Nun drängt aber die Frage in den Fokus, ob Europa schon die Reformkraft ausgeht. Die Entwicklung in Italien jedenfalls bietet Anlass zur Sorge, und in Frankreich ist nach wie vor die klare Absicht zu erforderlichen Reformen beispielsweise am Arbeitsmarkt nicht zu erkennen.Den ausgeprägtesten Pessimismus für das neue Börsenjahr zeigt die Société Générale. Paul Jackson, Analyst im Team Equity Strategy Europe der französischen Großbank, begründet dies damit, dass er für die ersten Wochen des neuen Jahres eine erneute Konsolidierung der Kurse erwartet. Dann sollte sich insbesondere die mit der Parlamentswahl in Italien verbundene Unsicherheit negativ auswirken. Hinzu kommt, dass die Gewinnschätzungen für viele Unternehmen laut Jackson immer noch zu hoch sind. Dies dürfte wieder stärker in den Mittelpunkt des Interesses rücken, wenn die schwache konjunkturelle Entwicklung in Europa in den Geschäftszahlen der Unternehmen für das Schlussquartal 2012 die zu erwartenden Spuren hinterlässt. Trifft es zu, dass die globale Wirtschaft im Laufe des Jahres neue Fahrt aufnimmt, dürfte der rückläufige Trend bei den Gewinnschätzungen allerdings drehen, sagt Daniel Fechtelpeter, der beim Bankhaus Lampe in Düsseldorf die Anlagepolitik mitbestimmt.”Im Jahresverlauf dürften sich die Ertragsperspektiven der Unternehmen aufhellen”, sagt auch Berndt Fernow, der bei der Landesbank Baden-Württemberg die Gruppe Investment Strategy leitet. Er favorisiert in diesem Zusammenhang weiterhin deutsche Aktien, die von einer auf Jahre hinaus stärkeren Binnenkonjunktur sowie ihrer besseren Anbindung an die wachstumsstarken Regionen der Welt profitieren sollen.Gegenläufiger Einschätzung sind Mislav Matejka, Leiter europäische Aktienstrategie bei J.P. Morgan, und Gertrud Traud, Chefvolkswirtin bei der Helaba. “Wir erwarten definitiv, dass der Euro Stoxx den Dax outperformen wird”, sagte sie jüngst bei der Präsentation des Kapitalmarktausblicks für das neue Jahr in Frankfurt. Beide Experten sind sich zudem in der Einschätzung einig, dass sich europäische Aktien 2013 stärker entwickeln werden als amerikanische.Nach Einschätzung vieler Analysten spricht zudem das Niedrigzinsumfeld, das weiterhin Bestand haben dürfte, für einen weiteren Anstieg der Aktienkurse auf Sicht von zwölf Monaten. Laut Markus Reinwand, Aktienstratege der Helaba, haben sich die Aktienquoten in den Portfolios privater und institutioneller Anleger “bislang lediglich auf dem Durchschnittsniveau der letzten zehn Jahre eingependelt”. Um den schleichenden Vermögensverlust zu verhindern, der bei festverzinslichen Anlagen droht, sollte die Nachfrage nach Aktien steigen, die immer noch moderat bewertet sind und mit einer Dividendenrendite von etwa 3,7 % inzwischen sogar mehr abwerfen als Unternehmensanleihen mit einem “BBB”-Rating.Carsten Klude, Chefvolkswirt bei der Privatbank M.M. Warburg, rechnet ebenfalls mit einer moderaten konjunkturellen Erholung – unterstützt durch Impulse aus den USA und aus China. Der prognostizierte Anstieg der Aktienkurse werde jedoch keinesfalls linear verlaufen; von Zeit zu Zeit sei gar mit heftigeren Korrekturen zu rechnen.In der Frage, welche Sektoren zu bevorzugen sind, laufen die einzelnen Meinungen zum Teil recht konträr. Während die DZ Bank beispielsweise zu Banken und Industriewerten rät und den Technologiesektor als unattraktiv einstuft, geht die Berenberg Bank davon aus, dass sich u. a. Nahrungsmittelhersteller, ausgewählte Technologiewerte und Zykliker besser entwickeln werden. Grundsätzlich aber gilt: Die Einzeltitelauswahl wird wichtiger. Und dabei, so ist von vielen Seiten zu hören, sind eine gute Marktposition eines Konzerns, hohe Preissetzungsmacht sowie ein hoher Geschäftsanteil in den Schwellenländern von immer größerer Bedeutung.