GASTBEITRAG

Risikomärkte auch 2020 gefragt

Börsen-Zeitung, 21.12.2019 Rückblickend konnten Investoren im Jahr 2019 kaum etwas falsch machen. Alle Anlageklassen lieferten bessere Erträge ab als noch zu Jahresbeginn erhofft. Nicht investiert gewesen zu sein war noch das größte Übel. Und das...

Risikomärkte auch 2020 gefragt

Rückblickend konnten Investoren im Jahr 2019 kaum etwas falsch machen. Alle Anlageklassen lieferten bessere Erträge ab als noch zu Jahresbeginn erhofft. Nicht investiert gewesen zu sein war noch das größte Übel. Und das trotz aller politischen Irrungen und Wirrungen sowie substanziellen konjunkturellen Sorgen, die das Kapitalmarktjahr bereithielt. Draghi und Co. sei Dank. Woher die Erträge für das kommende Jahr 2020 angesichts der Negativrenditen im Rentenmarkt und der gestiegenen Aktienmarktbewertungen kommen sollen, ist aber die jetzt drängende Frage. Werden die Zentralbanken erneut die Suche nach Rendite verschärfen und weitere Kursgewinne an Renten- und Aktienmärkten erzeugen? Genügen stabilere Wachstumsaussichten, um die teilweise ambitionierten Bewertungen ex post zu rechtfertigen? Oder kippt der Konjunkturzyklus doch noch und reißt wachstumssensible Anlageklassen wie Aktien und Unternehmensanleihen mit nach unten?Angesichts der seit letzter Woche erfolgten Weichenstellungen bei den politischen Krisenherden des zu Ende gehenden Jahres – namentlich Brexit und Handel – scheinen zumindest Rezessionsszenarien noch unwahrscheinlicher und die Hoffnung auf eine konjunkturelle Trendwende gerechtfertigt. Insbesondere in der Industrie dürften positive Impulse aus dem Außenhandel ihren Beitrag leisten, damit die Stimmungsindikatoren in den kommenden Monaten wieder zulegen können. Auch der ausgeprägte Lagerabbau vieler Unternehmen sollte beendet sein und somit eine – wenn auch nur langsam startende – Positivspirale auslösen können. Dass von privatem und öffentlichem Konsum weiterhin positive Konjunkturimpulse ausgehen werden, ist selbst bei einem etwas schwächeren Arbeitsmarkt ebenfalls sehr wahrscheinlich.Wachstumsraten von 1,2 % für die Eurozone sowie 1,7 % für die USA, wie sie die Bayerninvest seit geraumer Zeit für das Jahr 2020 prognostiziert, lassen zwar wahrlich keine neue Wachstumseuphorie ausbrechen, bieten aber immerhin einen stabilen Rahmen – weit entfernt von Rezessionsszenarien. Man könnte sogar argumentieren, dass aus Investorensicht dieses Umfeld geradezu ideal ist. Immerhin dürfte die Konjunktur stabil genug sein, damit die Gewinne der Unternehmen zulegen und die Ausfallraten gering bleiben können. Gleichzeitig sind die Wachstums- und Inflationsraten niedrig genug, um eine weiterhin expansiv ausgerichtete Geldpolitik zu rechtfertigen, wenngleich neue Impulse von dieser Seite ausbleiben dürften. Neben den verbesserten Wachstumsaussichten spricht hierfür auch, dass die Inflationsraten im kommenden Jahr etwas zulegen dürften.Gerade im Euroraum zeigt sich bereits eine leichte Aufwärtstendenz der für die EZB entscheidenden Kernrate, die sich 2020 nach Einschätzung der Bayernnvest verfestigen sollte. Ferner spricht auch die angestoßene Strategiedebatte der EZB für eine zunächst abwartende Haltung des Gremiums. Eine auf Konsens bedachte EZB-Präsidentin Christine Lagarde wird durch vorschnelle Anpassungen der Geldpolitik wohl keinen neuen Streit im EZB-Rat riskieren wollen. Die Gefahr, dass die Notenbanken im kommenden Jahr die nächste Rolle rückwärts antreten und wieder über Zinsanhebungen diskutieren, erscheint aus heutiger Sicht in jedem Fall äußerst gering.Insgesamt spricht vieles dafür, dass auch 2020 Risikoanlagen wie Aktien und mit Abstrichen auch Unternehmensanleihen weiter zulegen werden. Richtig ist, dass derzeit im Mittel von Analysten erwartet wird, dass die Gewinne der am europäischen Markt notierten Unternehmen in den kommenden zwölf Monaten um knapp 10 % zulegen. Auf dem aktuellen Niveau entsprechen die Aktienkurse damit etwa dem 14-Fachen dieser Gewinnprognose. Das Verhältnis aus erwarteten Gewinnen und Kursen ist damit so hoch wie seit Anfang 2018 nicht mehr. Dax 14 000 eine Frage der ZeitDennoch gilt: Legen die Gewinne der Unternehmen im kommenden Jahr nur um realistische gut 5 % zu und liegen die Gewinnerwartungen für die dann folgenden zwölf Monate ebenfalls in dieser Größenordnung, so muss das Bewertungsniveau an den Aktienmärkten gar nicht unbedingt weiter steigen, um bereits leicht höhere Aktienkurse zu rechtfertigen. Dass angesichts der weiterhin gegebenen Negativverzinsung im Rentenmarkt die Bewertungen aber weiter zulegen, erscheint nur logisch. Für den deutschen Leitindex Dax sollte die Marke von 14 000 Punkten daher nur eine Frage der Zeit sein. Selbst ein Angriff auf die Marke von 15 000 Punkten im Jahresverlauf könnte in einem Positivszenario durchaus erfolgen. Aktien bleiben nach Einschätzung der Bayerninvest auf Jahressicht ein Kauf – trotz der sicherlich zu verzeichnenden temporären Rücksetzer. Risikofaktoren, die schlagend werden können und für erhöhte Risikoaversion und somit verbesserte Einstiegsniveaus sorgen können, gibt es ja wahrlich weiterhin genug.Im Rentenmarkt wird die Jahresperformance 2020 dagegen wohl deutlich differenzierter ausfallen als im Jahr 2019. Hier sorgten sowohl fallende Renditen sicherer Anlagen als auch sich einengende Risikoaufschläge bei Covered Bonds und Unternehmensanleihen für Kursgewinne. Gerade deutsche Bundesanleihen profitierten von Zentralbankkäufen und der extremen geopolitischen Unsicherheit. Für 2020 rechnet die Bayerninvest hingegen mit moderaten Kursverlusten im Staatsanleihenbereich. Die Renditen dürften entsprechend leicht zulegen. Unternehmensanleihen werden dagegen wohl erneut von leicht engeren Spreads profitieren. Gerade das High-Yield-Segment könnte nach Einschätzung der Bayerninvest im kommenden Jahr von den verbesserten Wachstumsaussichten und der Erwartung weiterhin niedriger Ausfallraten profitieren.Das Jahr 2020 könnte aber auch eine einmalige Performance-Differenzierung innerhalb der Unternehmensanleihen bringen. Dafür spricht die an Dynamik gewinnende Debatte über das Thema Nachhaltigkeit. Grüne bzw. als nachhaltig geltende Unternehmensanleihen könnten sich in diesem Umfeld deutlich besser entwickeln als der breite Markt. Dies gilt vor allem, wenn sich die EZB im Rahmen ihrer Strategiedebatte für eine Integration von Nachhaltigkeitskriterien entscheidet. Zwar haben die enttäuschenden Ergebnisse der Klimakonferenz in Madrid oder die verschobene Einigung zur Taxonomie auf EU-Ebene gezeigt, wie schwierig es ist, in einer auf Konsens ausgerichteten Institution beim Thema Nachhaltigkeit eine gemeinsame Linie zu finden. Die Stoßrichtung für die EZB scheint aber durch Christine Lagarde klar vorgegeben. Sollte die EZB ihre Anleihekäufe umschichten oder die Kriterien, die sie für Sicherheiten im Rahmen von Refinanzierungsgeschäften anlegt, anpassen, hätte dies sogar direkte Konsequenzen für den Markt.So weit wird es kurzfristig wohl nicht kommen. Bereits durch die vage politische Absichtserklärung erhöht sich die relative Attraktivität nachhaltiger Anleihen. Insbesondere, wenn man den Markteinfluss, den die EZB mittlerweile auf den Credit-Markt ausübt, hierbei mitberücksichtigt. Die Anleger werden sich vermutlich zu positionieren wissen und somit für eine stärkere Differenzierung sorgen. Bernhard Grünäugl, Volkswirt und Makrostratege bei der Bayerninvest