Russische Aktien werden gemieden
Am russischen Aktienmarkt konnten in der Vorwoche erfolgreich Aktien von Sberbank und anderen Unternehmen platziert werden. Ansonsten aber bleiben die Kursentwicklung an der Börse und der Zustrom von Fondsgeldern bescheiden.Von Eduard Steiner, MoskauUnverhofft kommt nicht so oft. Und wird dann umso mehr gefeiert. Schließlich musste Russlands größte und staatliche Bank Sberbank seit den ersten Plänen für ihre Teilprivatisierung zwei Jahre lang warten, bis sich vorige Woche ein geeignetes Fenster dafür auftat. Binnen zweier Tage waren dann 7,6 % der Staatsanteile für 5,2 Mrd. Dollar verkauft. Staat, Bank und auch viele Analysten waren in Feiertagslaune. Nur wenige Experten wie Alexej Michailov vom Moskauer Wirtschaftsforschungszentrum EPIcentr haben Bedenken. Er stellt die Frage, warum die Aktien plötzlich eilig zu 93 Rubel (etwa 2,30 Euro) pro Stück rausgingen, obwohl sie zwischendurch schon mal bei 109 Rubel notiert hatten. Michailov hegt den Verdacht, dass die Nomenklatura Druck machte, weil sie sich selbst angesichts der politischen Instabilität möglichst schnell mit größeren Aktienpaketen auf sichere Offshore-Adressen eindecken will.Für einen günstigen Zeitpunkt sorgten die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), unbegrenzte Anleihenkäufe durchzuführen, und die aktivierte Notenpresse in den USA. Das nutzten auch andere russische Unternehmen. So begaben Stahlkonzerne Anleihen zu rekordverdächtig günstigen Konditionen. Die Elektronikhandelskette M.video platzierte binnen eines Tages 10 % der Aktien. Und angeblich schon nächste Woche öffnet die landesweit elftgrößte Bank Promsvjazbank das Orderbuch für ihr Initial Public Offering (IPO).Ist Russland also zurück auf dem Schirm der Investoren? Nicht unbedingt. Denn wie die Entwicklung der Leitindizes zeigt, schwächelten diese in der vorigen Woche im Vergleich mit anderen Teilen der Welt, besonders mit Schwellenländern. Die Moskauer Börse Micex schloss binnen einer Woche 2,5 % leichter bei 1 497 Punkten. Am Mittwoch notierte der Index deutlich unter der 1 500-Punkte-Grenze, über die er Mitte September erstmals nach dem Einjahrestief von 1 256 Punkten (Mitte Mai) geklettert war. Das hatte auch mit der vorwöchigen Korrektur des Ölpreises zu tun. Misstrauen der InvestorenDer Ölpreis ist freilich nur der Indikator an der Oberfläche. Tief sitzt das Misstrauen der Investoren, das dem kurzzeitigen globalen Optimismus nicht so schnell weicht. Im Vergleich mit anderen Schwellenländern zeigt sich, dass Russland nicht mehr die erste Adresse ist. Zwar hat sich auch für Russland der Trend umgekehrt, und auch die auf Russland ausgerichteten Investmentfonds haben in der Vorwoche einen Mittelzufluss verzeichnet. Mit 91,7 Mill. Dollar (inklusive Mischfonds sind es sogar 307 Mill. Dollar) aber war der Zufluss laut weltweiter Investmentfonds-Statistik von EPFR Global nur ein Bruchteil jener insgesamt 4,3 Mrd. Dollar, die Schwellenländer-Fonds zugeflossen sind. Größter Nutznießer war Brasilien mit 802 Mill. Dollar. Der Optimismus sei noch nicht auf Russland-Fonds übergeschwappt, schreiben die Analysten von Uralsib Capital. Russland bilde einen globalen Trend aber meist zeitversetzt ab.Russland hat laut EPFR seit Beginn der Finanzkrise jedoch grundsätzlich an Attraktivität eingebüßt. Solange es sein Rechtssystem und damit das Investitionsklima nicht in Ordnung bringe, entfalte es sein Potenzial nicht, meint Mark Mobius, Chef der Templeton Emerging Markets Group. Die politische Situation wird indes nicht mehr als so instabil angesehen wie noch vor einem halben Jahr. Aber der alte Schwung kommt nicht zurück, weshalb das Wirtschaftsministerium die Prognose für das Wachstum auf 3,5 % gesenkt hat, womit man an der Grenze zur Stagnation steht, wie Ex-Finanzminister Alexej Kudrin meint.Generell bleiben russische Aktien mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 5 günstig bewertet. Chinesische Dividendentitel kommen auf ein KGV von 11, diejenigen aus Brasilien erreichen 18. Und auch die kauffreudige Mittelschicht flößt Optimismus ein. Analysten gewichten weiterhin Ölwerte über. Leuchtturm des Bankensektors bleibt die Sberbank, im Einzelhandelssektor wird die Kette Magnit empfohlen.