Russische Finanzaktien mit Chancen
Aktien von russischen Banken und Finanzdienstleistern haben in der zweiten Jahreshälfte 2014 heftig Federn lassen müssen. Nach Ansicht der US-Bank geht es jetzt aber wieder aufwärts, wenn auch nicht für alle Titel. Manche, etwa die VTB, seien bereits zu teuer.amb Frankfurt – Bei einigen russischen Finanzaktien lohnt sich nach Ansicht von J. P. Morgan der Einstieg. “Trotz der Herausforderungen durch die Rezession und die hohen Zinsen hat sich der Ausblick verbessert”, heißt es in einer Studie der US-Bank. Rückenwind sei vom wieder stärkeren Rubel und der weiteren geldpolitischen Lockerung zu erwarten. Favoriten der Bank sind der russische Branchenriese Sberbank sowie der Moskauer Börsenbetreiber Moscow Exchange, außerdem noch die Halyk Bank aus Kasachstan, die ebenfalls untersucht wurde. Die zuvor zum Kauf empfohlene Bank St. Petersburg wird hingegen auf “Neutral” zurückgestuft, schon zu teuer seien VTB, TCS Group Holding und Bank Vozrozhdenie. Ölprognose erhöht”Ein Vergleich des aktuellen makroökonomischen Umfelds in Russland mit der heftigen Rezession von 2009 zeigt große Unterschiede”, erklären die Analysten. Sie haben ihre Prognosen für das BIP-Wachstum in Russland für dieses Jahr angehoben und rechnen jetzt mit einem Rückgang von nur noch 4 % statt 5 %. Der Grund: die leichte Erholung des Ölpreises. Für diesen werden jetzt nicht mehr 49, sondern 59 US-Dollar je Barrel prognostiziert.Zudem nähere sich die Inflation ihrem Höhepunkt, ab August würden die Preissteigerungsraten wieder sinken, für Mitte 2016 gehen die Analysten von nur noch 6 % aus, nach fast 17 % in diesem März. Daneben präsentiere sich der Rubel wieder stärker. Das ermögliche es der russischen Notenbank, die 2014 die Zinszügel kräftig angezogen hatte, die Zinsen wieder zu senken, bis Jahresende werde der Leitzins auf 10 % fallen. Nicht zuletzt würden die Staatsausgaben 2015 nicht so stark wie befürchtet steigen. Der Rubel, der aufgrund des Ölpreisverfalls und der Ukraine-Krise im Schussquartal 2014 massiv verloren hatte, hat sich mittlerweile deutlich erholt: Ein Euro kostet aktuell wieder knapp 55,73 Rubel, im Januar waren es zeitweise mehr als 80, Mitte Dezember sogar fast 100 Rubel. Auch an der Börse geht es längst wieder aufwärts: Nach dem Einbruch um mehr als die Hälfte zwischen Juni und Dezember 2014 hat der RTS wieder zugelegt, auch die Kurse von Finanztiteln, die besonders stark gelitten hatten, kletterten wieder nach oben. “Extrem billig”Hier sieht J. P. Morgan aber noch Nachholbedarf. “Im Vergleich zu Banken anderer Schwellenländer sind russische Banken – gemessen am Kurs-Buchwert – extrem billig”, heißt es in der Studie. Dies hänge mit der Angst vor einer schweren Rezession in Russland zusammen, außerdem mit niedrigen Dividenden und den Sanktionen. “Sobald es hier Verbesserungen gibt, werden die Kennziffern steigen.” Erwartet werden anziehende Dividenden und Eigenkapitalrenditen – zumindest bei einigen Adressen. Bei anderen seien die strukturellen Probleme aber groß. Insgesamt werde die Branche allerdings von der milderen Rezession profitieren, die Kreditausreichungen würden langsam wieder steigen, die Nettozinsmargen ebenfalls, die Rückstellungen blieben zwar hoch, aber im Rahmen.Ganz besonders getroffen hat der Einbruch am russischen Aktienmarkt die Sberbank, das größte Finanzinstitut des Landes. “Die Bank steht für die russische Volkswirtschaft als Ganzes und für den Rubel”, so die Analysten. Eine Erholung der russischen Wirtschaft werde der Aktie daher auch besonders zugutekommen. Der Titel (Stamm- und Vorzugsaktien) wird mit “Overweight” eingestuft, als Kursziel werden jetzt 100 statt 75 (aktuell 75,49 Rubel) genannt, für die Vorzugsaktien 80 statt 60 (aktuell 50,90 Rubel). Die Gewinnschätzungen für die Stammaktien werden angehoben von 3,90 auf 6,10 für 2015 und von 16,80 auf 17,70 Rubel für 2016.”Mit Sberbank kann am besten von der wirtschaftlichen Erholung und der Rubelaufwertung profitiert werden.” Zudem sei die Bank in einer deutlich besseren Verfassung als die Konkurrenz, die Experten rechnen mit wachsenden Marktanteilen im attraktiven Corporate- und Retail-Segment und mit steigenden Eigenkapitalrenditen. Das extrem niedrige Kurs-Buchwert-Verhältnis von nur 0,7 und das ebenfalls sehr niedrige Kurs-Gewinn-Verhältnis von 4,3 seien nicht gerechtfertigt.Ebenfalls auf “Overweight” gesetzt wird der Börsenbetreiber Moscow Exchange, der Aktie werden jetzt 94 statt 84 (aktuell 74,60 Rubel) zugetraut. Die Turbulenzen am Markt sorgten für rege Umsätze, dazu kämen attraktive Dividenden, etwa werde die Dividendenrendite schon in diesem Jahr auf 6 % steigen. Die Gewinnschätzungen werden für 2015 von 6,54 auf 7,63 und für 2016 von 6,78 auf 7,54 Rubel erhöht.Auf der Empfehlungsliste der US-Bank (“Overweight”) findet sich außerdem die Halyk Bank, eines der größten Finanzinstitute Kasachstans. Das Kursziel wird zwar von 10,00 auf 9,25 gesenkt, liegt aber immer noch deutlich über dem derzeitigen Niveau (7,60 Dollar). “Gut positioniert und gut gemanagt” – so charakterisiert J. P. Morgan die Bank. Wachstumsraten und Cash-flow seien hoch, die Dividendenrendite von 8,3 % für 2015 und die Eigenkapitalrendite von 20 % überzeugten. Potenzial könne noch durch ein verbessertes Produktportfolio erwachsen, heißt es. Die Gewinnschätzungen je Aktie werden für 2015 von 1,82 auf 1,77 Dollar gesenkt, für 2016 bleiben sie bei 1,75 Dollar.Die Bank St. Petersburg, eine der größten Banken im Nordwesten Russlands, wird auf “Neutral” zurückgestuft, das Kursziel liegt jetzt bei nur noch 42 statt 53 (aktuell 35,50 Rubel). Solange die Zinsmargen unter Druck seien, könne keine Kaufempfehlung ausgesprochen werden, heißt es. J. P. Morgan kappt die Gewinnschätzungen deutlich von 14,20 auf 6,30 und von 17,40 auf 12,50 Rubel für dieses und nächstes Jahr. Probleme bereiteten der Bank unter anderem ein unzulängliches Filialnetz, steigende Refinanzierungskosten und die Konkurrenz durch staatlich kontrollierte Institute. VTB zu teuerEinen weniger heftigen Kurseinbruch als andere Finanztitel erlebte die Aktie der sich mehrheitlich im Staatsbesitz befindenden VTB, der Nummer 2 am russischen Bankenmarkt. Der Grund: massive Hilfen durch den Staat. Von einer Erholung in Russland werde der Titel im Gegenzug aber auch nicht so profitieren, meinen die Analysten. Die Aktie wird daher auf “Underweight” gesetzt mit einem Kursziel von 1,40 (zuvor 0,84 Dollar), weit unterhalb der aktuellen Notierung von 2,26 Dollar. Die Ergebnisschätzung je Aktie für dieses Jahr bleibt bei – 0,20, für das kommende werden jetzt 0,20 statt 0,10 Dollar prognostiziert.Ebenfalls mit “Underweight” wird bei der im Privat- und Firmenkundengeschäft tätigen Bank Vozrozhdenie votiert, das Kursziel wird auf 348 (zuvor 400 Rubel) reduziert, ebenfalls oberhalb der aktuellen Notierung, die bei 415 Rubel liegt. Die Analysten nennen diverse Gründe, die gegen einen Kursanstieg der Aktie sprächen: Druck auf die Zinsmarge, steigende Rückstellungen, niedrige Eigenkapitalrendite und vor allem zu hohe Kosten. Nur bei einer deutlichen Straffung des Filialnetzes und Reduzierung der Beschäftigtenzahl könne die Eigenkapitalrendite wieder steigen. Die Gewinnschätzungen werden reduziert von 71,60 auf 35,20 Rubel für 2015 und von 114,00 auf 94,10 Rubel für das Jahr 2016.Negativ fällt auch die Beurteilung der TCS Group Holding aus (“Underweight”), als Kursziel werden 2,70 (zuvor 4, aktueller Kurs 3,55 Dollar) genannt. Die TCS Group Holding, die mit der Tochter Tinkoff Credit Systems Bank vor allem im Kreditkartengeschäft tätig ist, wird für ihr Management gelobt, allerdings gebe es große strukturelle Probleme, konkret extrem hohe Kreditausfälle. Die Gewinnschätzungen für 2015 und 2016 werden dennoch von 9,30 auf 13,50 und 13,80 auf 17,40 Dollar angehoben.