Shortseller bauen Wirecard-Anteil ab
Die Leerverkäufer haben den Rückschlag am deutschen Aktienmarkt im Mai genutzt, um Positionen abzubauen. So ging laut IHS Markit der Short-Anteil in Wirecard und Deutsche Bank deutlich zurück. Hartnäckig hoch blieb er in Thyssenkrupp.Von Dietegen Müller, FrankfurtDie Leerverkäufer haben unter deutschen Blue Chips in den vergangenen vier Wochen ihre Positionen deutlich verringert. Laut Angaben des Finanzdatendienstleisters IHS Markit ist der Anteil ausgeliehener Aktien – in der Regel ein guter Indikator für leerverkaufte Titel – gemessen an der Marktkapitalisierung per 3. Juni um 28 Basispunkte auf noch 0,71 % gesunken. Dies ist der niedrigste Stand seit Februar 2018. Im Mid-Cap-Index MDax ging der Anteil dagegen nur um 5 Basispunkte auf 1,5 % zurück.Der deutliche Rückgang fällt mit einem Rückgang des Dax um knapp 4 % im gleichen Zeitraum zusammen. Offensichtlich scheinen die Leerverkäufer nun weniger attraktive Möglichkeiten im Markt zu sehen. Ein wesentlicher Faktor war auch der starke Rückgang der Aktien auf Leihe bei dem Zahlungsdienstleister Wirecard. Der Short-Anteil gemessen an der Marktkapitalisierung ging laut IHS Markit um 58 % auf 5,6 % zurück. Vor rund einem Monat stand der Short-Anteil noch bei rund 14 %.Im Berichtszeitraum legte der Aktienkurs von Wirecard um rund 15 % zu, und dies trotz eines Kursrückschlags zum Ende der vergangenen Woche. Das “Handelsblatt” hatte einen Artikel publiziert, der die Rolle von Wirecard als Dienstleister für zwielichtige Trading-Seiten im Internet hervorhob. Wirecard erklärte dazu, nur regulierungskonforme Geschäftsbeziehungen zu führen.Zudem haben sich die Kosten für das Ausleihen von Wirecard-Aktien leicht verringert. Die Daily Cost to Borrow ist von Stufe vier auf Stufe drei gesunken, was in etwa Kosten von um die 300 Basispunkte entspricht. Dies ist ein Hinweis darauf, dass das Angebot an zur Leihe stehenden Stücken zugenommen hat, oder aber die Nachfrage von Leerverkäufern oder zum Zweck von Absicherungsgeschäften gesunken ist.Im Januar waren die Kosten für die Leihe von Wirecard-Aktien sprunghaft gestiegen, parallel zu einem markant höheren Anteil von Aktien auf Leihe. Während eines temporären Leerverkaufsverbots der Finanzdienstleistungsanstalt BaFin zwischen Februar und April ist der Short-Anteil leicht zurückgegangen, hatte sich dann aber Ende April wieder erhöht. Nun liegt der Short-Anteil laut IHS-Markit-Daten auf dem niedrigsten Stand seit Anfang Februar. Im Bundesanzeiger taucht nur Slate Path Capital mit einer Netto-Leerverkaufsposition von über 0,5 % auf, und zwar per 28. Mai mit einem Anteil von 0,57 %. Drohender Dax-AbstiegZugelegt hat dagegen der Short-Anteil bei Thyssenkrupp. Mit 8,6 % der Marktkapitalisierung liegt er auf außergewöhnlich hohem Niveau. Nach wie vor hat der Markt offensichtlich seine Zweifel, wie nach der gescheiterten Zusammenlegung der Stahlsparte mit Tata Steel und dem Verzicht auf eine Aufspaltung die Zukunft des Konzerns aussehen soll. Laut Indexexpertin Silke Schlünsen vom Bankhaus Oddo Seydler droht Thyssenkrupp beim Indexüberprüfungstermin im September womöglich der Abstieg (vgl. BZ vom 31. Mai).Anders als der Aktienkurs nahelegt, haben sich jedoch bei der Deutschen Bank die Leerverkäufer zurückgezogen. Nachdem der Short-Anteil dort auch schon einmal über 6 % gelegen hatte, ging er nun um 33 % auf noch 3,9 % zurück. Offensichtlich sehen nach dem kräftigen Kursverfall weniger Leerverkäufer noch Ertragschancen in den Titeln. Allerdings hat Marshall Wace laut Bundesanzeiger den Netto-Shortanteil per 3. Juni auf 1,6 % erhöht.Auffällig im Dax ist auch der kräftige Sprung von 137 % im Short-Anteil bei den Aktien des Autozulieferers Continental. Mit 1,3 % ausgeliehenen Aktien ist der Short-Anteil aber vergleichsweise noch moderat.Ein anderes Bild zeigt sich bei einigen Werten im MDax. Zwar hat der Anteil ausgeliehener Papiere bei Osram Licht um rund einen Fünftel auf immer noch sehr hohe 16,2 % abgenommen, doch sind die Leihgebühren mit Stufe 4 sehr hoch – eine Verdoppelung gegenüber Anfang Mai. Die Gespräche des Osram-Managements mit den an einer Übernahme interessierten Finanzinvestoren Bain Capital und Carlyle ziehen sich schon länger hin. Mit einem Netto-Shortanteil von zuletzt 4,09 % per Ende Mai fallen AQR Capital auf. Citadel belagert LanxessEinen kräftigen Anstieg der Aktien auf Leihe gab es auch beim Spezialchemiekonzern Lanxess und beim Medienunternehmen Axel Springer. Bei Lanxess sind laut Bundesanzeiger Citadel Advisor und Citadel Europe mit einem kombinierten Netto-Short-Anteil von 3,14 % präsent.Die Aktien von Axel Springer legten am 30. Mai um 22 % zu, nachdem bekannt wurde, dass die Beteiligungsgesellschaft KKR über eine strategische Beteiligung verhandelt und den außenstehenden Aktionären (44,8 %) ein Übernahmeangebot machen will (vgl. BZ vom 31. Mai 2018). Damit könnte Axel Springer auch von der Börse genommen werden. Der bislang letzte Eintrag im Netto-Leerverkaufsregister des Bundesanzeigers war Contour Asset Management mit einem Anteil von 0,49 % per 23. August 2018. Mit einer Leihgebühr auf Stufe 2 sind die Springer-Aktien geringfügig teurer als liquide Titel.Einen starken Anstieg des Short-Anteils gab es in den vergangenen vier Wochen auch beim Telekom-Anbieter Freenet. Hier dürfte eine mögliche Ursache sein, dass die Kartellwächter den Kauf des Schweizer Kabelnetzanbieters UPC durch den Mobilfunkkonzern Sunrise vertieft prüfen. Freenet ist Großaktionär von Sunrise, würde aber durch die geplante UPC-Übernahme stark verwässert. Im Steigen begriffen ist zudem erneut der Short-Anteil in den Aktien des Kali- und Salzherstellers K+S.