Überzogene Hoffnungen
Der Rohstoffmarkt ist bei Investoren wieder en vogue. Nach Angaben der Analysten der britischen Großbank Barclays sind weltweit von Januar bis Ende August 54 Mrd. Dollar in Rohstoffanlagen geflossen. So hohe Zuflüsse sind bislang noch niemals in den ersten acht Monaten eines Jahres verzeichnet worden. Dafür gibt es einen Grund: Die Rohstoffpreise scheinen die Talsohle durchschritten zu haben, sie erholen sich auf breiter Front. Nimmt man den breiten Bloomberg-Rohstoffindex als Maßstab, so ließ sich mit Commodities eine Rendite von rund 7 % erzielen. Zum Vergleich: Mit dem US-Aktienindex S & P 500 kam man nur auf 6,4 %. Mit einzelnen Rohstoffen ließ sich sogar noch sehr viel mehr verdienen. So legte der Rohzuckerpreis um 71 % zu, Silber verteuerte sich um 29 %, das Industriemetall Zink um 47 % und Gold um 20 %. Analysten sind für viele Rohstoffe optimistischer geworden. Falls die Zuflüsse anhalten, so dürfte 2016 das erste Jahr mit Nettozuflüssen in den Sektor seit 2012 werden.Es darf aber bezweifelt werden, ob die Hausse im Rohstoffsektor – und damit das Interesse der Investoren – nachhaltig ist. Ein neuer Superzyklus, wie er bis 2012 Jahr für Jahr für kräftige Preisanstiege in fast allen Rohstoffklassen sorgte, ist keinesfalls in Sicht. Stattdessen muss festgestellt werden, dass sich das fundamentale Umfeld für den Rohstoffsektor zumindest in der längerfristigen Perspektive nicht wirklich aufgehellt hat. Es ist nämlich zu befürchten, dass die Weltwirtschaft vor einer längeren Phase mit ausgesprochen schwachem Wachstum steht. Die anämische Erholung, die es seit der Zäsur durch die Finanzkrise gegeben hat, droht zum neuen Normalfall der globalen Konjunkturentwicklung zu werden. Da die Rohstoffnachfrage und die Commodity-Preise in hohem Maß von der globalen Konjunktur abhängen, darf erwartet werden, dass sich die Hoffnungen vieler Rohstoffinvestoren als überzogen erweisen werden.Die Konjunktur in den wichtigsten globalen Volkswirtschaften dürfte nämlich über viele Jahre durch die vielerorts exorbitant hohe Verschuldung im privaten Sektor gedämpft werden. Und das selbst angesichts der aktuell sehr niedrigen nominalen Zinsniveaus – wobei die realen Zinsniveaus wegen der extrem niedrigen Inflationsraten gar nicht so niedrig sind. Ein wesentliches Problem liegt zudem darin, dass der Anstieg der Verschuldung in Staaten wie den USA, aber auch in China zu einem guten Teil bei Haushalten mit niedrigem und mittlerem Einkommen stattfand, die einerseits bonitätsbedingt gar nicht in den Genuss der Niedrigzinsen kommen, die andererseits aber für den Konsum als dem wichtigsten Aggregat auf der volkswirtschaftlichen Nachfrageseite von besonderer Bedeutung sind. Insofern nimmt mit steigender Belastung durch Kredite die Fähigkeit zum Konsum spürbar ab, argumentiert beispielsweise der US-Ökonom Richard Vague von Gabriel Investments, was unweigerlich die Konjunkturentwicklung deutlich abbremse.Hinzu kommt, dass etwa in den USA die realen Einkommen der unteren Einkommensgruppen bereits seit den siebziger Jahren kaum mehr gestiegen sind – eine Entwicklung, die inzwischen seit rund zwei Jahrzehnten auch in Europa zu beobachten ist. In den USA sind die Schulden des privaten Sektors auf 150 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gestiegen, in Frankreich auf mehr als 175 % und in Japan auf 170 %.Besonders besorgniserregend ist die Entwicklung indes in China, dessen dynamische Volkswirtschaft in den vergangenen Jahren für einen großen Teils des Anstiegs der Rohstoffnachfrage verantwortlich war. Die Schulden des privaten Sektors sind in der Volksrepublik auf astronomische 225 % des BIP geklettert. Zwar waren bisher in erster Linie Investitionen für die Dynamik der chinesischen Wirtschaft verantwortlich. Allerdings ist diese Entwicklung an ihre Grenzen gekommen, wie an den großen Überkapazitäten und dem hohen Anteil notleidender Kredite abzulesen ist. Da der Schuldenabbau bzw. das Deleveraging in Abwesenheit eines allgemeinen Schuldenschnitts nur über Inflation oder staatliche Exportüberschüsse – die allerdings nicht alle Länder zugleich haben können – erfolgen kann, dürfte er sich über eine sehr lange Zeitspanne hinziehen, mit entsprechenden Folgen für das Wirtschaftswachstum.China als bisheriger Motor der Rohstoffmärkte könnte von den Wachstumsraten her bald so aussehen wie Japan, ist zu befürchten. Für die Rohstoffmärkte bedeutet das nichts Gutes: Im besten Fall sind Jahre der Preisstagnation zu erwarten.——–Von Dieter KuckelkornBei Rohstoffanlegern herrscht derzeit Optimismus vor. Diese sollten sich allerdings von ihren Investments längerfristig nicht allzu viel erhoffen.——-