Bondmarkt

Ukraine-Bonds unter Druck

Am Bondmarkt sind die Schuldpapiere der Ukraine verständlicherweise unter Abgabedruck geraten. In den Blick rücken nun die Fälligkeiten der Anleihen und wie mit ihrer Bedienung umgegangen wird. Im Gespräch ist derzeit, dass die Ukraine die Zahlungen aufschieben möchte.

Ukraine-Bonds unter Druck

Von Kai Johannsen, Frankfurt

Im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine sind die Staatsanleihen des Landes an den internationalen Bondmärkten unter erheblichen Abgabedruck gekommen. Schließlich ist einerseits nicht klar, wie lange dieser Angriffskrieg noch dauern wird und welchen Schaden er letztendlich insgesamt anrichten wird, andererseits ist zu­dem nicht absehbar, wie sich die rechtliche Nachfolge in der Schuldnersituation des Zentralstaates und seiner Gebietskörperschaften ausgestalten wird. Dies sind beides Aspekte, die Gläubiger derzeit und auch in Zu­kunft immer wieder ins Kalkül ziehen werden. Auf der Jahrestagung der International Capital Market Association (ICMA) in Wien wurde von Experten aber auch sehr deutlich gemacht, dass Investoren der Ukraine am Tag X nach dem Ende des Krieges mit einem Sympathie-Funding für den Wiederaufbau zu helfen wissen werden. Dies wird sich auf den Kapitalumfang und auch auf die Konditionengestaltung entsprechend auswirken. Doch an diesem Tag stehen die Märkte bzw. die Marktakteure derzeit noch nicht. Die Ukraine ist an den Bondmärkten in den vergangenen Jahren kein regelmäßiger Gast gewesen, sondern eher ein Emittent mit Seltenheitswert. Auch das hat bei der Konditionengestaltung und auch bei dem Nachfrageaspekt – Stichwort Überzeichnung – dem Land sicherlich geholfen. Die Ukraine ist bei den Bondanlegern mit Blick auf die nennenswerten Emissionen in drei Währungen vorstellig geworden. Dies ist zum einen die Landeswährung Hrywnja. Zum anderen emittierte das Land in der US-Währung und in der europäischen Gemeinschaftswährung. Insgesamt sind laut Bloomberg und Commerzbank-Research 26 Bonds ausstehend. 14 Staatsanleihen entfallen auf die Lokalwährung Hrywn­ja. Ein Dutzend am Markt gehandelte Schuldpapiere sind es im Dollar, und zwei Anleihen wurden im Euro begeben. Im Dollar wurde das größte Kapitalvolumen aufgenommen, es handelt sich um einen Umfang von rund 20,5 Mrd. Dollar. Im Euro erreicht das Nominalvolumen 2,25 Mrd. Euro. Und in der Landeswährung Hrywnja sind es umgerechnet 1,754 Mrd. Euro – aufgrund der praktisch vorhandenen Parität zum Dollar ist es selbstredend jeweils der gleiche Dollarbetrag.

Kurve abgedeckt

Die Ukraine hat mit ihren Bonds praktisch die gesamte Laufzeitenkurve bzw. sämtliche Punkte der Kurve angesteuert. Fälligkeiten stehen in den einzelnen Währungen von 2022 bis zum Jahr 2030 jedes Jahr an. Die längste Laufzeit – sie entfällt auf einen Dollarbond – ist 2040. Eine Fälligkeit eines Lokalwährungsbonds war vor wenigen Tagen am 20. Juli. Die nächsten Fälligkeiten datieren auf den 3. August und den 26. August. Die umgerechneten Euro-Äquivalente dieser Bonds be­laufen sich auf 520, 418 bzw. 533 Mill. Euro. Der erste internationale Bond, und zwar auf Dollar lautend, wird am 1. September zur Bedienung fällig. Hier geht es um 906 Mill. Dollar. Die Anleger werden, da es sich eben um einen Dollarbond und nicht um eine Lokalwährungsanleihe handelt, was insofern ein größeres Interesse nach sich zieht, auf die Entwicklungen der Bedienung gerade dieser Anleihe besonders achten. Und daran dürfte so manch einer dann auch sein weiteres Verhalten für die Folgezeit ausrichten. Die beiden im Euro begebenen Anleihen datieren erst auf die Jahre 2026 und 2030. Zinszahlungen lauten auf die Monate Juni bzw. Januar.

Preise im Blick

Die Bewertungen der Anleihen der Ukraine sind an den Bondmärkten kräftig nach unten gegangen. Üblicherweise werden Anleihen gehandelt auf der Grundlage von Renditen bzw. Spreads im Vergleich zu anderen Ländern. Da die Anleihen aufgrund des Kursrutsches aber mittlerweile bei Renditen von 20, 30, 40 und bei einem Dollarbond (fällig September 2022) sogar von mehr als 70% handeln, ergibt diese relative Betrachtung, also Spread zu anderen Anleihen, offenkundig nur recht wenig Sinn. In diesem Fall – und dies gilt verständlicherweise nicht nur für die Ukraine – wird im Bondhandel auf die Preisnotierung bzw. die reine Betrachtung des Preises übergangen. Es wird ein Ukraine-Bond also nicht mehr in Spreads oder Renditen quotiert.

Selbstredend ist auch, dass die Bonds der Ukraine derzeit an den Märkten einen hohen Grad von Illiquidität aufweisen. Sie zählen demzufolge nicht mehr zu den Anleihen, die Anleger täglich handeln. Auch das ist aufgrund der Kriegssituation als völlig normal anzusehen.

„Extrazins“ angedacht

Derzeit beabsichtigt die Ukraine, die Rückzahlungen von Bonds und entsprechende Zinszahlungen auf diese Staatsanleihen zu verschieben. Ein entsprechender Beschluss wurde laut Berichten der Nachrichtenagentur Reuters kürzlich gefasst. Dem Beschluss zufolge soll es sich um Nominalwertrückzahlungen von Eurobonds handeln. Im Gespräch ist den Berichten zufolge eine Verschiebung der Zahlungen um 24 Monate beginnend ab dem 1. August dieses Jahres. Die ukrainische Regierung hat den Berichten zufolge nun angeordnet, dass das Finanzministerium des Landes Verhandlungen mit den jeweiligen Kreditgebern aufnehmen soll. Für die aufgeschobenen Zahlungen bei den betreffenden Anleihen soll es zusätzliche Zinsleistungen geben. Weitere Details, wie mit den Zahlungen womöglich umgegangen werden soll, wurden nicht bekannt. Ein Berater des Präsidentenbüros hat internationale Geldgeber zudem dazu aufgerufen, ihre finanzielle Unterstützung für die Ukraine zu erhöhen und damit eine finanzielle Krise des Landes in der jetzigen Situation abzuwenden. In der gegenwärtigen Situation gestaltet sich der Marktzugang für die Ukraine ausgesprochen schwierig. Zurzeit könnte die Ukraine am Markt wohl keinerlei Bonds platzieren, so die Einschätzung von Marktteilnehmern. Das gilt für die gesamte Laufzeitenkurve.

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