US-Aktien unterm Damoklesschwert

Kurssteigerungen übertreffen 2013 alle Erwartungen - Vertrauen auf länger anhaltende Hausse schwindet

US-Aktien unterm Damoklesschwert

Die Probleme der europäischen Wirtschaft nehmen nicht ab, in Fernost hat sich das Wachstum verlangsamt und auch in den USA wird im zweiten Quartal nur noch mit 1,8% annualisiertem Wachstum gerechnet – nach 2,5% in den ersten drei Monaten. Die Hausse am US-Aktienmarkt hat sich davon bislang allerdings nicht bremsen lassen. Bereits Mitte Mai notiert der Leitindex S&P500 deutlich über den optimistischsten Erwartungen für das Jahresende. Ironischerweise könnte ausgerechnet ein kräftigeres Anziehen der US-Wirtschaft die Trendumkehr bedeuten.Von Sebastian Schmid, New YorkDie Rally am US-Aktienmarkt kennt keine Pause. In der ablaufenden Woche hat der Leitindex S&P500 zwischenzeitlich erstmals über 1660 Punkten notiert und ist damit im laufenden Turnus um gut 16% gestiegen. Das entspricht dem besten Start seit 1999. Schon nach viereinhalb Monaten hat die Marktentwicklung alle Erwartungen übertroffen, die Analysten Anfang Januar für das Jahresende formuliert hatten (vgl. BZ vom 4. Januar). Damals hatte selbst der optimistischste Marktbeobachter nur 1615 Zähler für Ende Dezember auf der Rechnung. Im Schnitt waren 1534 Punkte prognostiziert worden. Dabei hatten die Marktbeobachter überwiegend mit einem schwächeren ersten Halbjahr und einer Erholung im zweiten gerechnet. Völlig falsch lagen sie mit der Annahme bezogen auf die US-Wirtschaft nicht. Diese legte im ersten Quartal tatsächlich weniger stark zu, als die Volkswirte im Schnitt prognostiziert hatten. Als falsch erwies sich lediglich die Annahme, dass dies auf die Aktienkurse durchschlagen werde. BIP-VerschnaufpauseZwei Faktoren haben wesentlich dazu beigetragen, dass die Hausse trotz gemischter Rahmendaten anhält. Erstens rechnen noch immer viele Volkswirte mit einer Besserung der konjunkturellen Lage im zweiten Halbjahr. Unicredits US-Chefökonom Harm Bandholz erwartet jedenfalls, dass die prognostizierte Wachstumsverlangsamung im zweiten Quartal auf 1,8% nur eine temporäre Verschnaufpause darstellt. Im zweiten Halbjahr rechnet Bandholz mit einem Wachstum von 2,75% für die US-Wirtschaft. Das sollte auch den börsennotierten Unternehmen helfen, wieder bessere Wachstumszahlen zu zeigen – insbesondere, nachdem das vierte Quartal 2012 extrem enttäuschend verlaufen war.Ein zweiter gewichtiger Faktor für die ausdauernde Hausse ist die milliardenschwere Liquiditätsspritze der Federal Reserve Bank, die derzeit monatlich 85 Mrd. Dollar über Anleiherückkäufe in den Markt pumpt. Diese zusätzlichen Mittel fließen zu einem nicht unwesentlichen Anteil in Aktieninvestitionen. Denn während der Bondmarkt zunehmend als ausgereizt gilt, wird Aktien noch eher weiteres Kurssteigerungspotenzial zugetraut. Davon zeugt auch der hervorragende Start des IPO-Geschäfts, das bis Ende vergangener Woche bereits 4 Mrd. Dollar mehr an Emissionserlösen eingespielt hatte als zum gleichen Zeitpunkt 2012.Allerdings sollten Investoren den Aktienboom mit Vorsicht genießen. Goldman-Sachs-Aktienstratege David Kostin, der seinen Tipp für den Jahresendstand beim S&P500 seit Anfang Januar um 50 Zähler auf 1625 Punkte angehoben hat, warnt etwa davor, dass die Aktienkursanstiege auch die Kurs-Gewinn-Verhältnisse nach oben getrieben haben. Auch wenn sein neues Ziel für den S&P500 übertroffen wurde, hat er sich entschlossen, es nicht weiter anzuheben. Nur “unter idealen Bedingungen, bei denen das reale Zinsniveau niedrig bleibt und zugleich die US-Wirtschaft überdurchschnittlich wächst, könnten die Multiples noch höher steigen”, glaubt Kostin. Der Goldman-Analyst zählt dabei noch zu den Optimisten.Im Schnitt tippen 14 vom Marktforschungsunternehmen Birinyi Associates befragte Analysten nicht einmal auf 1600 Punkte. Firmengründer Lazlo Birinyi selbst geht derweil bereits davon aus, dass auch die 1700-Punkte-Marke in diesem Jahr noch fallen wird. Der Milliardär und langjährige Hedgefonds-Manager Stanley Druckenmiller warnte auf der Ira-Sohn-Konferenz vergangene Woche derweil vor einem drohenden Absturz. Wenn die US-Notenbank Fed das Ende von Quantitative Easing ankündige, sei die Bullenstimmung im Markt vorbei. Selbst ein “Vorschüler” sei in der Lage, sich auszurechnen, was passiert. Wann das Damoklesschwert “Ende der Anleihekäufe” auf den Markt herabsaust, kann auch Druckenmiller nicht sagen. Noch will aber auch der Ex-Mitarbeiter von George Soros nicht aussteigen. Kurzfristig biete der Markt noch Chancen. Langfristig sehe es aber düster aus.