Attraktives Risiko-Rendite-Profil

Vanguard zieht hochwertige Bonds KI-Aktien vor

Vanguard fürchtet zwar keinen unmittelbar bevorstehenden KI-Crash. Der ETF-Anbieter sieht aber bessere Chancen für Value-Aktien aus den USA.

Vanguard zieht hochwertige Bonds KI-Aktien vor

Vanguard zieht hochwertige Bonds KI-Aktien vor

ETF-Anbieter fürchtet zwar keinen Tech-Crash, sieht aber bessere Chancen für Value-Titel aus den USA als für Techwerte

hip London

Vanguard befürchtet nicht, dass es schon bald zu einem Tech-Crash kommen könnte. Doch hochwertige Anleihen dürften in den kommenden Jahren „eine komfortable Marge“ über der zu erwartenden Inflation abwerfen, erwartet der ETF-Anbieter. Deshalb spricht er ihnen das attraktivste Risiko-Rendite-Profil zu.

Für einen ETF-Anbieter gibt sich Vanguard große Mühe, künftige Entwicklungen an den Kapitalmärkten vorherzusagen. „Wir sprechen von Trends, den großen Kräften, die die Zukunft formen“, sagte Europa-Chefvolkswirtin Jumana Saleheen in London vor Journalisten. Sie verantwortet auch die Anlagestrategie insgesamt. „Und wir denken, dass KI 2026 und darüber hinaus die stärkste Kraft sein wird.“ Man sehe viele Unternehmen weltweit, insbesondere aber in den USA, die enorme Investitionen ankündigen.

In den Vereinigten Staaten seien es 2,1 Bill. Dollar. Wenn man so viel Geld in die Hand nehme, egal ob für Server oder Stromerzeugung, gehe das direkt ins Bruttoinlandsprodukt (BIP) ein. „Deshalb sehen wir Aufwärtspotenzial“, sagte Saleheen. Für die kommenden Jahre bestehe eine Chance von 60% auf ein Wachstum von 3%, heißt es im Ausblick des ETF-Anbieters. Das wäre deutlich mehr, als die meisten Notenbanken und privaten Institute auf der Rechnung haben.

„Nicht so rosig“

Vanguard unterstellt für das kommende Jahr ein US-Wachstum von 2,25%. Denn „stagflationäre Megatrend-Schocks“ wie Zölle und Demografie belasteten, zudem müssten sich die erhofften breitangelegten Produktivitätsgewinne erst noch materialisieren. Die hartnäckige Inflation und das vergleichsweise solide Wachstum ließen der Federal Reserve wenig Spielraum für eine Senkung des Leitzinses unter den von Vanguard auf 3,5% geschätzten „neutralen“ Wert. Am Bondmarkt ist man weniger „hawkish“.

„In Europa sehen die Dinge nicht so rosig aus", sagte Saleheen. „Wenn man sich die Kapitalanlageinvestitionen ansieht, sind sie zehnmal niedriger.“ Für die Eurozone rechnet der ETF-Anbieter lediglich mit einer Expansion des BIP um 1,2%. Die Inflation veranschlagt er auf 2%. Hier fehle es an einer starken KI-Dynamik wie in den USA oder China. Die EZB könne ihre Geldpolitik weiterführen wie gehabt.

Bessere Chancen anderswo

„Angesichts der Investitionen und des erwarteten Gewinnwachstums könnten US-Technologiewerte 2026 das Tempo gut aufrechterhalten“, heißt es im Vanguard-Ausblick. Eins müsse aber klar sein: In dieser Überschwänglichkeit wachsen die Risiken, auch wenn sie nach manchen Kennzahlen „rational“ erscheinen mag. „Wir sind natürlich sehr besorgt darüber, dass die Bewertungen am US-Aktienmarkt überdehnt sind," sagte Saleheen. Das Gewinnwachstum bewege sich auf Rekordniveau.

Die Konsequenz daraus sieht für Vanguard so aus: Es gibt anderswo attraktivere Anlagemöglichkeiten, selbst für Investoren, die optimistisch sind, was die Zukunft von KI angeht. Für die kommenden fünf bis zehn Jahre seien das qualitativ hochwertige US-Anleihen, US-Value-Aktien und Aktien aus anderen entwickelten Volkswirtschaften.

Diversifizierung falls KI enttäuscht

Hochwertige US-Anleihen dürften in den kommenden Jahren „eine komfortable Marge“ über der zu erwartenden Inflation abwerfen. „Das ist der Hauptgrund dafür, dass Bonds zurück sind, unabhängig davon, was Notenbanken 2026 tun werden“, heißt es im Ausblick. „Wichtig ist auch, dass US-Bonds Diversifizierung liefern, falls KI enttäuschen und nicht für höheres Wirtschaftswachstum sorgen sollte.“

Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios beziffert Vanguard mit 25% bis 30%. Zur Erinnerung: Vor dem britischen EU-Referendum hatten Banken und Investmentmanager einem Votum für den Brexit eine Wahrscheinlichkeit in ähnlicher Höhe zugesprochen.

Steigerung der Kapitalintensität

Vanguard vergleicht KI mit früheren Investitionszyklen wie dem Eisenbahnbau. Dabei habe sich gezeigt, dass das Auftreten einer universellen Technologie eine Steigerung der Kapitalintensität nach sich zieht, die erhebliche Investitionen in die neuen Werkzeuge erfordert. „Wir erwarten, dass KI keine Ausnahme sein wird“, heißt es im Ausblick.

Die eigene Analyse habe gezeigt, dass solche Ausbauphasen ihren Höhepunkt über einen mehrjährigen Zeitraum hinweg erreichen – typischerweise in einem vier- bis sechsjährigen Zeitfenster. Der KI-Zyklus befinde sich bei 30% bis 40% früherer Höhepunkte noch in einem Anfangsstadium. Allerdings sei der Nettobarwert von KI-Investitionen sehr ungewiss und könne auch negativ ausfallen. Zugleich könnte die anhaltende Notwendigkeit von umfangreichen Kapitalausgaben für knappe Ressourcen wie Halbleiter und Rechenzentren die Gewinnmargen aushöhlen. Das würde es Hyperscalern erschweren, das vom Markt erwartete Gewinnwachstum zu liefern.

Höhere Produktivität

Die Entwicklung am Arbeitsmarkt entspreche nicht den weit verbreiteten Automatisierungsängsten. So habe das Stellenwachstum bei 140 Tätigkeiten mit hohem KI-Exposure ebenso zugenommen wie das Reallohnwachstum. In den Prä-Covid-19-Jahren 2015 bis 2019 seien jährlich lediglich 1,0% mehr Stellen entstanden, vom zweiten Quartal 2022 bis zum zweiten Quartal 2025 dagegen 1,7% mehr. Die Reallöhne stiegen Post-Covid-19 um 3,8% pro Jahr. Davor hatten sie lediglich um 0,1% zugelegt. Daraus lasse sich ableiten, dass KI-Systeme derzeit die Produktivität der Arbeitnehmer erhöhen.

Kreditqualität entscheidend

Bei Fixed Income komme es auf die Kreditqualität an. Ein Missverhältnis von Angebot und Nachfrage habe 2025 immer wieder dafür gesorgt, dass Credit Spreads historische Tiefstände getestet hätten. Die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Einengung sei jedoch gering. Daraus ergebe sich ein Abwärtsrisiko. Denn die aktuellen Bewertungen böten wenig Ausgleich für Risiken aus dem KI-Investmentzyklus.

„Stellen wir uns einmal vor, es gibt eine Neuemission von einem Unternehmen“, sagte Sarang Kulkarni, der gemeinsam mit Ales Koutny die Vanguard Global Core und Strategic Bond Funds managt. „Es macht keinen Gewinn. Es häuft Schulden an. Dem Management fehlt jede Unterstützung für Veränderungen, die sicherstellen würden, dass das Unternehmen wettbewerbsfähig ist und langfristig eine Zukunft hat.“

Fortlaufende Verschlechterung

„Wenn so ein Unternehmen an den Bondmarkt kommt, sieht sich das keiner an“, sagte Kulkarni. „Tatsächlich beschreibt das aber ziemlich alle staatlichen Emittenten da draußen.“ Der Markt behandele Staatsanleihen bereits wie Credit. Wenn man sich Unternehmensbilanzen ansehe, finde man dort „fundamentale Stärke in vernünftigem Ausmaß“. Bei den öffentlichen Finanzen beobachte man dagegen eine fortlaufende Verschlechterung. „Wer kann da eigentlich behaupten, dass die Credit Spreads zu eng sind?“

Betrachte man die relative Bewertung von Unternehmens- und Staatsschulden, verschlechtere sich die der Staaten, während die der Unternehmen gleich bleibe. Das habe man schon einmal gesehen: während der Eurokrise. Auf die Kreditqualität kommt es an.