„Wandelanleihen sind eine gute Option für Midcaps“
Im Interview: Ralf Darpe
„Wandelanleihen sind eine gute Option für Midcaps“
Kapitalmarktexperte der Société Générale: Belebung der Emissionsaktivitäten 2025 – Outperformance gegenüber Aktien
In der gegenwärtigen Marktphase bieten Wandelanleihen Anlegern gute Perspektiven. Seit Jahresanfang haben sie Aktien outperformt. Sie bieten auch Schutz bei fallenden Kursen. Ein interessantes Finanzierungsinstrument sind sie laut Convertible-Experte Ralf Darpe von der Société Générale für KMU.
Das Interview führte Kai Johannsen. Das vollständige Interview lesen Sie auf www.boersen-zeitung.de
Herr Darpe, die Finanzmärkte befinden sich derzeit generell in einem von hoher Unsicherheit geprägten Umfeld – ausgelöst durch Donald Trumps Zollkrieg. Wie wirkt sich das auf den Sekundärmarkt der Wandelanleihen aus?
Es ist ohne Zweifel eine enorme Volatilität zu registrieren, das haben wir jüngst ja immer wieder gesehen. Diese Volatilität drückt sich generell in einer verbesserten Bewertung von Wandelschuldverschreibungen aus. In einigen Branchen hat die jüngste Entwicklung, u.a. die Ankündigung von Zöllen, die Aktienkurse auch stark belastet, in anderen aber auch begünstigt. Dazu gehören etwa defensive Sektoren und der Rüstungsbereich. Insgesamt hat sich der Sekundärmarkt für Convertibles doch sehr gut gehalten, und ist auch gegenüber dem Aktienmarkt auch noch mal stärker gestiegen aufgrund dieser Volatilität.
Bieten Wandelanleihen somit einen besonderen Schutz für Anleger in dieser Zeit?
Wandelanleihen bieten ja neben der Möglichkeit, an der Aktienkursentwicklung zu partizipieren, auch die Sicherheit des Bondfloors, also die Rückzahlung des Nominals zum Laufzeitende. Wenn der Aktienkurs fällt oder die Wandlungsprämie nicht erreicht und eine Wandlung somit unattraktiv ist, greift somit der Bondfloor. Der Anleger erhält dank der Anleihekomponente somit sein Geld bei Fälligkeit zurück. Nur bei Zahlungsausfall des Unternehmens ist der Anleger mit einem Verlust konfrontiert. Das ist das Kreditausfallrisiko. Der Bondfloor federt ansonsten die Verluste nach unten ab, nach oben bietet die Wandelanleihe Upside aufgrund der Aktienkursanstiege. Diese Mechanik der Wandelanleihe macht das Instrument attraktiv für größere institutionelle Anleger wie zum Beispiel Pensionsfonds, Versicherungen, aber auch Vermögensverwalter.
Welche Performance verzeichneten die Wandelanleihen auf Euro lautend in diesem Jahr im Schnitt?
Die Performance des europäischen Wandelanleihenmarktes übertrifft die europäischen Aktien seit Jahresbeginn deutlich. Der Bloomberg Convertibles Eurozone Total Return Index liegt bei einem Plus von rund 20%. Der Euro Stoxx 50 Total Return kommt auf ungefähr plus 13%. Das ist eine deutliche Outperformance der Wandelanleiheindizes.
Und wie hat sich die Unsicherheit bislang auf die Emissionstätigkeit von Convertibles ausgewirkt, und wie steht der Markt im Vergleich zu 2024 und 2023 emissionsseitig da?
Wir haben in diesem Jahr bislang eine deutliche Belebung der Emissionsaktivität gegenüber 2024 gesehen. Wir stehen zurzeit bei 5,8 Mrd. Euro Volumen mit 14 Emissionen in Europa gegenüber ungefähr 2,1 Mrd. Euro und acht Emissionen im gleichen Vorjahreszeitraum. Wir liegen damit aktuell in etwa auf dem Niveau von 2023, denn da waren es zu diesem Zeitpunkt 6,1 Mrd. Euro bei 13 Transaktionen. Der Markt ist sehr aktiv, und die Investorennachfrage übersteigt das Angebot. Das haben wir jetzt gerade bei der 1,3 Mrd. Euro schweren Wandelanleihe von Vonovia gesehen, die wir als Global Coordinator platziert haben. Das war die größte Wandelanleihe in Europa seit vielen Jahren, und trotzdem konnten wir da eine enorme Überzeichnung erzielen.
Gab es auch synthetische Transaktionen?
Ja, davor kam mehr als die Hälfte der Transaktionen in einem nicht verwässernden Format. Das waren teilweise auch synthetische Exchangeable Bonds mit Cash Settlement, die von Banken ausgegeben werden, oder es waren Convertible Bonds, die von Unternehmen emittiert wurden mit dem gleichzeitigem Kauf einer Call Option, um eine potenzielle Verwässerung auszugleichen. Das sind im Wesentlichen Arbitragetransaktionen, die auch den hohen Nachfrageüberhang der Investoren ausnutzen. Bei den regulären Transaktionen, also klassischen Convertibles und Exchangeables, wurden die Papiere oft am oberen Ende der Bookbuilding-Spanne gepreist und optimierte Konditionen erzielt, was dann auch auf die Bereitschaft der Investoren hindeutete, neue Transaktionen der Emittenten zu unterstützen.
Mit welcher Emissionstätigkeit rechnen Sie im weiteren Jahresverlauf in Europa?
Die Nachfrage der Investoren stufen wir als sehr solide ein. Die bisherigen Transaktionen haben uns gezeigt, dass Investoren die Primärmarkttransaktionen in breitem Maße unterstützen. Es sind spezialisierte Investorenkreise, die sich hier engagieren. Der Emittent hat somit sehr gute Chancen, auch von dieser speziellen Finanzierungsquelle zu profitieren und die Finanzierungskosten dabei sehr niedrig zu halten. Bei Vonovia hatten wir zum Beispiel bei der Fünfjahrestranche einen Kupon von Null Prozent. Hier bieten sich also sehr gute Möglichkeiten, Finanzierungskosten einzusparen. Gleichzeitig sind in diesem Umfeld einer höheren Volatilität auch höhere Wandlungspreise möglich. Das heißt, die Aktie kann potenziell zu einer höheren Prämie emittiert werden. Für viele Emittenten ist das wirklich ein sehr attraktives Umfeld.
Warum setzen Unternehmen immer mehr auf Wandelanleihen bzw. sollten es tun?
Die Wandelanleihe ist ein sehr effizientes und flexibles Finanzierungsinstrument. Die laufenden Cash-Kosten für die Kupons sind extrem niedrig, denn der Kupon wird ja durch die implementierte Wandlungsoption der Anleihe quasi subventioniert. Das heißt, die Kupons liegen deutlich unter denen von konventionellen Unternehmensanleihen. Viele Unternehmen müssen in diesem Jahr Anleihen refinanzieren, die sie 2020 emittiert haben. Damals lag die durchschnittliche Rendite für Unternehmensanleihen bei unter 1%. Zurzeit sind es im Schnitt ungefähr 3,75%. Das sind exorbitant höhere Kosten. Und hier kommen Wandelanleihen zum Tragen. Bei dem Wandler von Vonovia liegt der Kupon der 1,3 Mrd. Euro schweren Anleihe über beide Tranchen im Schnitt bei 0,4%.
Gibt es neben den geringeren Zinskosten noch andere Vorzüge?
Ja, viele Unternehmen können sich hier einen Markt erschließen, den sie bisher noch nicht angegangen sind und darüber die Investorenbasis verbreitern. Mit Wandelanleihen fokussiert man einen spezialisierten Kreis von Investoren. Dazu kommt noch, dass die Struktur individuell angepasst werden kann zum Beispiel hinsichtlich von Laufzeiten und Volumina, um das für den Tilgungsplan maßzuschneidern. Zudem ist keine umfangreiche Dokumentation notwendig. Man benötigt keine Roadshow, und die Wandelanleihe kann in wenigen Stunden platziert werden.
Sehen Sie gerade bei KMU im Euro Potenzial für entsprechende Emissionen?
Ohne Frage. Wandelanleihen sind eine gute Option für Mid Caps. Speziell weil man für die Wandelanleihe nicht unbedingt ein Rating benötigt, ist es sehr oft eine funktionierende Alternative zum klassischen Bondmarkt. Eine wichtige Determinante ist aber immer die Liquidität der betreffenden Aktie. Ein bestimmter Grad an Aktienliquidität ist erforderlich, weil neben den Long Only Fonds auch Hedge Fonds aktiv sind, die eine wichtige Investorenbasis in diesem Markt darstellen. Sie setzen eine deltaneutrale Strategie um, wofür eine liquide Aktie notwendig ist. Viele Long Only Fonds setzen zudem bevorzugt auch auf Mid Caps. Von daher sehen wir da durchaus Möglichkeiten der Mittelstandsfinanzierung.
Wie wirkt sich die zu erwartende lockernde Zinspolitik der EZB vermutlich auf den Wandelanleihenmarkt aus?
Trotz der Lockerungsschritte liegen wir beim EZB-Einlagensatz ja immer noch bei 2%, und das sind immer noch relativ hohe Zinsen, die die Kosten für alle Arten von Schuldinstrumenten im historischen Vergleich immer noch hoch wirken lassen. Allerdings ist das makroökonomische Umfeld in diesem Jahr für die Emission von Wandelanleihen positiv. Die Kurse sind in vielen Sektoren gut gelaufen, und die Volatilität an den Aktienmärkten macht die Wandelanleihe attraktiv. Sie gehören bei den Schuldpapieren von Unternehmen zu den Instrumenten mit den niedrigsten laufenden Kosten. Es gibt gute Möglichkeiten für Unternehmen, aktuell von diesem Markt zu profitieren.
Und wie sieht es mit der Fiskalpolitik aus, insbesondere in Deutschland? Stellt sie auch einen Antriebsfaktor dar?
Die Fiskalpolitik wäre ein Antriebsfaktor, wenn das zu höherem Finanzierungsbedarf führen würde. Viele Adressen in den Sektoren Infrastruktur, Luft- und Raumfahrt, Verteidigung etc finanzieren sich jedoch oft durch die Endabnehmer der Verträge, sodass diese sich nicht unbedingt über unbesicherte Instrumente refinanzieren müssen. Bei den Endabnehmern handelt es sich oft um öffentliche Einrichtungen, die nicht unbedingt Wandelanleiheemittenten sind. Das Kursniveau der Aktien der Unternehmen aus diesem Sektor spricht zwar stark für die Emission von Wandelanleihen. Aber wir erwarten jetzt keine größere Emissionswelle aus diesem Bereich. Was aber noch hinzukommen kann, sind Emittenten, die Umtauschanleihen begeben. Die Anleihe kann dann in gehaltene Aktien eines anderen Unternehmens getauscht werden und nicht in die Aktien des Anleihe-emittierenden Unternehmens. Das ist sehr beliebt, weil durch die Wandlungsprämie höhere Verkaufspreise für eine Beteiligung erreicht werden können bei gleichzeitig sehr niedrigen Finanzierungskosten.
Sie meinen ähnlich wie Fresenius mit der Umtauschanleihe auf FMC?
Ja, zum Beispiel. Hier sehen wir durchaus Möglichkeiten, dass weitere Emissionen dieser Art in Europa an den Markt kommen könnten.