Alternatives Investment

"Wertlose Aktien" als Renditeträger

Der Markt für historische Papiere floriert - Spitzenstücke erzielen stark steigende Preise

"Wertlose Aktien" als Renditeträger

Jedes historische Wertpapier ist ein Stück Wirtschaftsgeschichte. Für die meisten Sammler sind diese Aktien, Anleihen, Genüsse oder Optionen deshalb in erster Linie ein faszinierendes Hobby. Es lässt sich damit aber auch eine attraktive Rendite erzielen. Von Thorsten KramerDas Risiko, das Matthias Schmitt kurz nach der Jahrtausendwende eingegangen war, hat sich inzwischen mehr als rentiert. Damals zahlte der Vorstand der Historischen Wertpapierhaus AG 28 000 DM für eine Aktie der Chaplin-Studios. Heute, so berichtete er jüngst in einem Interview, sei das Stück mehr als doppelt so viel wert, weil es alle Vorzüge aufweist, die ein historisches Wertpapier als Kapitalanlage mitbringen sollte: Der Emittent ist weltbekannt, die Aktie trägt eine Originalsignatur (von Charlie Chaplin) und die Verfügbarkeit ist äußerst selten. Lediglich die ersten zehn Aktien tragen die Unterschrift des weltberühmten Schauspielers.Eine so eindrucksvolle Entwicklung wie bei dieser Aktie der Chaplin-Studios ist alles andere als die Regel. Längerfristig lässt sich mit einem gut austarierten Portfolio seltener Stücke aber durchaus ein jährlicher Ertrag von 8 bis 10 % erzielen, wissen professionelle Beobachter des Marktes. Joachim Hahn, der in Rottenburg ein Internetportal für historische Wertpapiere betreibt, sieht aktuell insbesondere in DM-Aktien eines der spannendsten Sammelgebiete. “Hier steigen Interesse, Sammlerzahl, Auktionsangebote und Preise seit Jahren.” Nur mit Zeit und GeduldWer künftig daran teilhaben möchte, braucht zunächst einmal zwei Dinge: Zeit und Geduld. Denn es ist unerlässlich, sich zunächst einen fundierten Marktüberblick zu verschaffen. Hilfreich ist dabei sicherlich das Internet, das in den zurückliegenden Jahren viel zu einer verbesserten Transparenz beigetragen hat. Informationen bekommt man zudem bei Vereinen wie dem Ersten Deutschen Historic-Actien-Club oder dem Deutschen Geldschein- und Wertpapiersammler e.V., zudem finden bundesweit regelmäßig Sammlertreffen sowie Auktionen historischer Wertpapiere statt, bei denen man ebenfalls ein Gefühl für den Markt bekommen kann. Orientierung bieten auch Kataloge wie “Suppes” und “GET” oder Fachzeitschriften. Deutschland weltweit führendMit bis zu 1 500 Sammlern, die jährlich zumindest 500 Euro investieren, um ihr Spezialgebiet zu pflegen, gilt Deutschland weltweit als größter Markt für die sogenannten Nonvaleurs (wertlose Aktien). Der jährliche Umsatz liegt bei bis zu 10 Mill. Euro. Allein auf einer Versteigerung der Freunde Historischer Wertpapiere in Frankfurt summierte sich das Ergebnis Ende September auf mehr als 400 000 Euro. Der überwiegende Teil der Papiere ist dabei für kleines Geld zu haben; diese “Massenware” verspricht denn auch nur ein überschaubares Wertsteigerungspotenzial. Für Spitzenstücke wurde zuletzt indes wieder deutlich mehr bezahlt.Das teuerste jemals in Deutschland versteigerte Papier ist die im Jahr 1870 ausgegebene erste Aktie der Deutschen Bank, die im Jahr 2006 für 130 000 Euro unter den Hammer kam. Generell stammen die meisten Raritäten aus dem 19. Jahrhundert. Die Aktie der Julius Berger Tiefbau AG aus dem Jahr 1910 und die Anleihe von Robert Bosch von 1922 sind allerdings ebenfalls sehr selten und werden zumindest mit einem Wert von mehr als 1 000 Euro geführt. Noch viel teurer würde die älteste bekannte Aktie der Vereinigten Ostindischen Compagnie von 1606 sein, deren Wert die Antiquarin und Auktionarin Reinhild Tschöpe vom gleichnamigen Auktionshaus auf bis zu 3 Mill. Euro taxiert. Wesentliche Kriterien für die Bewertung eines historischen Papiers sind dessen Alter und Verfügbarkeit. So sind in Kriegszeiten viele der ursprünglich ausgegebenen Titel zerstört worden. Manche haben in feuchten Kellern den Glanz der alten Tage verloren, und manche sind nach dem Untergang eines Unternehmens getreu dem Motto “Die sind das Papier nicht mehr wert, auf dem sie gedruckt sind” schlicht und einfach entsorgt worden. Als wertsteigernd gilt außerdem eine attraktive Gestaltung eines Wertpapiers, insbesondere wenn ein bekannter Künstler dafür verantwortlich zeichnet. Von Bedeutung ist zudem, ob ein Wertpapier mit einer Originalsignatur versehen ist, sowie der Bekanntheitsgrad einer Gesellschaft – als geeignete Beispiele gelten hier etwa Mannesmann oder auch die Dresdner Bank. Nicht zuletzt hat der Zustand eines Titels Einfluss auf dessen Preis.Zu den beliebtesten Sammelgebieten zählen Eisenbahngesellschaften und die Automobilindustrie. Dort finden sich dann zum Beispiel Aktien der Daimler Benz AG aus den fünfziger oder sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, bei denen die Wirtschaftshistorie buchstäblich greifbar wird. Gleiches gilt indes für die Papiere von Unternehmen, die speziell unter regionalen Gesichtspunkten von Bedeutung gewesen sind. So zeugen Aktien der Bremer Vulkan Schiffbau und Maschinenfabrik von einem einst starken Industriezweig, und Papiere der Dortmunder Union Brauerei AG erinnern daran, dass die Westfalenmetropole einst der zweitgrößte Brauereistandort der Welt gewesen ist. In beliebten Sammelgebieten sind die Wertpapiere in der Regel teurer als in anderen. Es könnte deshalb eine Überlegung sein, antizyklisch vorzugehen. So sehen Marktteilnehmer etwa bei deutschen Papieren aus der Gründerzeit sowie aus der Montanindustrie und dem Maschinenbau durchaus Potenzial. Hier stehen etwa die Aktien der Dortmund Hörder Hüttenunion AG oder der Essener Steinkohlebergwerke AG für die einstige Blütezeit des Ruhrgebiets.Zwischen 2003 und 2009 flutete das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen den Markt mit Wertpapieren aus dem Besitz der ehemaligen Reichsbank. Der davon ausgegangene Druck auf die Preise gilt inzwischen allerdings als verarbeitet. Das Risiko, dass ein umfangreicher Dachbodenfund einzelne Papiere schwer belastet, besteht indes weiter, denn hierzulande sind erst rund 40 000 Wertpapiere katalogisiert, das ursprünglich ausgegebene Volumen lag mehr als fünfmal so hoch. Welchen Effekt ein solcher Fund haben kann, zeigte sich vor einiger Zeit bei der Maschinenbau AG Union, deren Wert von 250 Euro schnell auf nur noch 50 Euro abrutschte. In besserer Erinnerung halten es Sammler hingegen, wenn bei Auktionen völlig überraschend echte Raritäten angeboten werden – und das ist gar keine Seltenheit. “In jeder Auktion habe ich mindestens ein bis zwei solcher Spitzenstücke”, sagte Auktionator Schmitt jüngst in einem Interview. Diese Papiere stammen nicht selten von Leuten, denen über eine lange Zeit gar nicht bewusst gewesen war, welche Kostbarkeit sie eigentlich besitzen.