ENDE DER ALTEN ORDNUNG

"America only" statt "America first"?

Trump kehrt globaler Staatengemeinschaft den Rücken - Große Gefahren für Wirtschaft und Reputation

"America only" statt "America first"?

Von Peter De Thier, WashingtonPolitische Alleingänge sind ein unverkennbares Markenzeichen der ersten zwei Amtsjahre von US-Präsident Donald Trump. Schon als Privatbürger vertrat der Immobilienunternehmer vor mehr als 25 Jahren die feste Überzeugung, dass die USA bei internationalen Abkommen ausnahmslos über den Tisch gezogen werden. “America first” lautet daher die politische Handlungsmaxime des 45. US-Präsidenten. Trump stellt amerikanische Interessen über jene anderer Länder und der globalen Staatengemeinschaft. Die Trump-Doktrin birgt aber auch das Risiko internationaler Isolation, die auf dem globalen Parkett schon mehrfach ihren Niederschlag fand und langfristig auch der Wirtschaft Schaden zufügen wird. Paukenschlag zu Beginn Des gleichen Slogans bediente sich zwar auch schon Präsident Woodrow Wilson (1913 bis 1921), ebenso wie 1992 der damalige erzkonservative Präsidentschaftskandidat Pat Buchanan. Kein anderer Politiker verstand darunter aber Pläne, sich so rigoros wie Trump von völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarungen, langjährigen Freundschaften und Bündnissen sowie uramerikanischen Werten und Prinzipien wie etwa Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und der Achtung menschlicher Würde zu distanzieren.Gleich nach Trumps Amtseinführung begann es mit einem Paukenschlag: Den Verhandlungen über das transpazifische Handelsabkommen TPP, dessen Zukunft ohnehin ungewiss war, kehrte Trump eiskalt den Rücken. Fünf Monate später kündigte er das Pariser Klimaabkommen auf. Als Beigabe kokettierte er in der Zwischenzeit immer wieder mit dem Austritt der USA aus dem Nato-Verteidigungsbündnis. Zudem verhängte er Einfuhrzölle auf Stahl sowie Aluminium, und er behält sich ungeachtet der Versprechen der deutschen Autobosse, verstärkt in den USA zu investieren, weiterhin potenziell folgenschwere Zölle gegen Autoimporte aus Europa vor.Selbst im eigenen Hinterhof setzte sich der Präsident als Störenfried in Szene. Mit einer Aufkündigung der seit 24 Jahren geltenden Freihandelszone Nafta, der neben den USA auch Mexiko und Kanada angehören, hatte Trump schon lange Zeit geliebäugelt. Anfang Oktober zurrten die drei Nafta-Länder dann Einzelheiten des “United States-Mexico-Canada- Agreement” (USMC) fest, das das 1993 vereinbarte Nafta-Abkommen ersetzen soll – wenn es die Zustimmung des US-Kongresses findet.Die Argumente, die Trumps Unilateralismus zugrunde liegen, sind manchmal durchaus nachvollziehbar. Schon in den 1990er Jahren hatte er vorausgesagt, dass Nafta Arbeitsplätze in den USA vernichten und dass die bilaterale Handelsbilanz gegenüber dem südlichen Nachbarn schwindelerregende Höhen erreichen würde. Tatsächlich erreichte der Fehlbetrag im Warenhandel mit Mexiko im Jahr 2017 rund 71 Mrd. Dollar, und dieses Jahr wird der Passivsaldo noch deutlich höher ausfallen. Zudem kletterte das Defizit vis-à-vis Kanada in derselben Periode, allerdings deutlich weniger. Das Economic Policy Institute rechnet vor, dass Nafta in den USA rund 700 000 Arbeitsplätze gekostet habe.Keineswegs falsch ist auch Trumps Kritik an der Lastenverteilung innerhalb der Nato. Keiner trage zum Verteidigungsbündnis militärisch annähernd so viel bei wie die US-Streitkräfte, warum sollte Washington dann obendrein auch der größte Geldgeber sein? Diese Frage stellte Trump nach seinem Wahlsieg immer wieder und konnte anderen Mitgliedsländern damit immerhin Zusagen entlocken, die eigenen Rüstungsausgaben zu erhöhen. Natürlich brüstet sich der Präsident mit dem neuen USMC-Deal, den er als “weitaus besser als den alten Deal” preist – ebenso wie mit den Zusagen der Nato-Partner. Gleichzeitig übersieht er die negativen Folgen seiner “America first”-Politik. So würde nach Kalkulationen des Business Roundtable eine Welt ohne Nafta, in der das ursprüngliche Abkommen aufgekündigt wird und das Nachfolgeabkommen noch nicht ratifiziert wurde, die USA bis zu 1,8 Mill. Arbeitsplätze kosten. Die Ausfuhren in die beiden Nachbarländer würden einbrechen, so die Prognose.Verschwiegen werden vom Weißen Haus auch die Konsequenzen der Stahlzölle. Die daraus resultierenden Preiserhöhungen haben zahlreiche Industrieunternehmen gezwungen, die Produktion zu drosseln, Mitarbeiter zu entlassen und in vielen Fällen ganze Werke zu schließen. Trump begreift ebenso wenig, dass Autozölle, die schon im Januar kommen könnten, zu Störungen in den globalen Lieferketten führen. Deutsche Konzerne wie etwa VW, Daimler und BMW, die in den USA produzieren, könnten gezwungen werden, dort Stellen zu streichen. “Beschämender Auftritt” Dabei könnten die gravierendsten Folgen gar nicht quantifizierbar sein und sich weder in verlorenen Arbeitsplätzen, noch in höheren Preisen messen lassen. Wenn Trump die USA abschottet und antiamerikanische Ressentiments schürt, steht Amerikas Rolle als “Führer der freien Welt” und das Ansehen der weltgrößten Demokratie auf dem Spiel. Selbst Republikaner hat Trump mit dem Austritt aus dem Nuklearabkommen mit dem Iran und seiner Anbiederung an die russische Regierung sowie Kim Jong Uns Regime in Nordkorea irritiert. Der 2018 verstorbene Republikaner John McCain nannte Trumps Gipfeltreffen mit Wladimir Putin “einen der beschämendsten Auftritte eines Präsidenten in der modernen Geschichte”. So beschreiben Demokraten, mittlerweile aber auch einige Republikaner, die gesamte Präsidentschaft Trumps.