Beschäftigung

Arbeitsmärkte in den OECD-Ländern trotzen Rezessionsängsten

In Deutschland dürfte die niedrige Arbeitslosenquote laut OECD in Zukunft weiter sinken. Das stellt Unternehmen vor Herausforderungen – ebenso wie der Umgang mit künstlicher Intelligenz.

Arbeitsmärkte in den OECD-Ländern trotzen Rezessionsängsten

OECD-Arbeitsmärkte trotzen Rezessionsängsten

Arbeitslosenquote sinkt in vielen Ländern – Künstliche Intelligenz bedroht Jobs und verändert Stellenprofile

mpi Frankfurt

Trotz eines schwächelnden Welthandels, einer hohen Inflation und der Belastungen für die Konjunktur durch die Zinswende ist von einer Abkühlung an den Arbeitsmärkten der Mitgliedstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wenig zu spüren. In nur fünf Ländern, darunter die USA, ist die Arbeitslosenquote im Mai gestiegen, wie die OECD am Dienstag in ihrem Arbeitsmarktbericht mitteilte. In 14 Staaten blieb die Rate unverändert, so auch in Deutschland. In 13 ist die Quote im Mai sogar gefallen. „Die Arbeitsmärkte haben im vergangenen Jahr eine bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit gezeigt und bleiben angespannt, obwohl die hohe Inflation und die steigenden Lebenshaltungskosten zu einem Rückgang der Realeinkommen geführt haben“, sagte OECD-Generalsekretär Mathias Cormann.

Trotz der teilweise kräftigen Lohnerhöhungen in einigen Branchen sind Reallohnverluste aufgrund der hohen Inflationsrate in den OECD-Staaten weit verbreitet. Lediglich in vier Ländern ist die Kaufkraft im ersten Quartal dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen. Den höchsten Zuwachs verzeichneten die Arbeitsnehmer in Belgien, die nach Abzug der Inflation 2,9% mehr Gehalt zur Verfügung hatten. In Deutschland gab es hingegen einen Reallohnverlust von 3,3%. Deutlich höher noch fiel dieser in Ungarn aus, das in dieser Kategorie mit einem Minus von 15,6% negativer Spitzenreiter ist, gefolgt von Lettland (−13,4%) und Tschechien (−10,4%).

Angesichts der Reallohnverluste und der Tatsache, dass die Gewinne der Unternehmen in vielen Ländern stärker gestiegen sind als die Arbeitskosten, sieht die OECD derzeit keine Anzeichen einer Lohn-Preis-Spirale. Die Unternehmen hätten Spielraum, um Lohnerhöhungen – die Reallohnverluste ihrer Mitarbeiter reduzieren oder beseitigen würden – aufzufangen, ohne dass diese zu Preiserhöhungen und damit einem steigenden Inflationsdruck führen würden. Um die Effekte der hohen Inflation auf die Kaufkraft insbesondere bei Geringverdienern zu senken, rät die OECD dazu, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen oder, wo dieser bereits vorhanden ist, ihn zu erhöhen. In Deutschland könnte der Mindestlohn zum Jahreswechsel um 41 Cent auf 12,41 Euro steigen. Diesen Wert empfahl die Mindestlohnkommission Ende Juni. Arbeitnehmervertreter zeigten sich mit diesem Vorschlag jedoch angesichts der hohen Inflation unzufrieden und forderten eine stärkere Anhebung.

Für den deutschen Arbeitsmarkt geht die OECD in ihrem Ausblick von einer abnehmenden Arbeitslosenquote aus. Mit 2,9% gehört zu sie bereits jetzt zu den niedrigsten aller Mitgliedstaaten. Für Unternehmen in Deutschland dürfte die Suche nach Arbeitskräften in Zukunft damit noch herausfordernder werden – Stichwort Fachkräftemangel.

KI verändert Arbeitsmarkt

Den Fachkräftemangel kann der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) laut OECD zumindest auf absehbare Zeit nicht beseitigen. „Hochqualifizierte Arbeitskräfte werden durch KI bisher unterstützt und nicht ersetzt“, heißt es in dem OECD-Bericht. „Es gibt bisher nur wenige Befunde für einen Rückgang der Arbeitsnachfrage aufgrund von KI.“

Dennoch werde KI den Arbeitsmarkt verändern. „Die jüngste Beschleunigung generativer KI-bezogener Entwicklungen und Tools markiert einen technologischen Wendepunkt mit materiellen Auswirkungen auf viele Arbeitsplätze“, sagte OECD-Generalsekretär Cormann. Dies zeige etwa der Boom von Programmen wie ChatGPT, die menschliche Interaktionen simulieren und anhand von Stichworten Texte oder Bilder erstellen können. Demnächst könnten durch den Einsatz von KI in weiteren Bereichen weniger oder im Extremfall sogar gar keine Mitarbeiter mehr benötigt werden. Das Automatisierungsrisiko sei bei Tätigkeiten, die geringere Kompetenzen erfordern, generell am größten. „Es besteht ein echter Bedarf, über längerfristige politische Rahmenbedingungen für den Einsatz von KI am Arbeitsplatz nachzudenken und die internationale Zusammenarbeit weiterhin zu fördern, um den Nutzen zu maximieren und gleichzeitig die nachteiligen Risiken angemessen zu bewältigen“, meint Cormann daher.

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