LEITARTIKEL

Aus dem Sumpf in den Morast

So würde wohl jeder gerne in die neue Arbeitswoche starten. Als Donald Trump am vergangenen Montag zum ersten Mal alle Mitglieder seines Kabinetts in einer gemeinsamen Sitzung im Weißen Haus um sich versammelte, gab der US-Präsident seiner...

Aus dem Sumpf in den Morast

So würde wohl jeder gerne in die neue Arbeitswoche starten. Als Donald Trump am vergangenen Montag zum ersten Mal alle Mitglieder seines Kabinetts in einer gemeinsamen Sitzung im Weißen Haus um sich versammelte, gab der US-Präsident seiner Mannschaft zunächst die Gelegenheit, vor laufenden Kameras zu erläutern, wie großartig sie ihren Chef findet. Vizepräsident Mike Pence eröffnete die Runde und legte mit seiner Liebeserklärung die Latte hoch: “Es ist das größte Privileg meines Lebens, als Vizepräsident neben dem Präsidenten zu dienen, der hält, was er dem amerikanischen Volk versprochen hat, und ein Team zusammengestellt hat, das unserem Land echten Wandel, echten Wohlstand und echte Stärke zurückbringt”, sagte Pence.Dieses Eingangsstatement war schwer zu toppen, der Ton war aber gesetzt. Außer Verteidigungsminister James Mattis, der nicht ohne Grund den Spitznamen “Mad Dog” trägt, lobten alle Kabinettsmitglieder den Präsidenten überschwänglich und doch nicht übertrieben, wie Trump anschließend klarmachte. Noch nie zuvor habe ein US-Präsident in so kurzer Zeit mehr Gesetze auf den Weg gebracht, kein Präsident vor ihm sei so aktiv gewesen, mit Ausnahme von Franklin D. Roosevelt vielleicht, der die USA in den dreißiger Jahren aus ihrer bisher wohl schwersten Wirtschaftskrise führte, sagt Trump über Trump.Das stimmt so – vorsichtig formuliert – nicht ganz. Trump hat in den ersten 21 Wochen seiner Amtszeit zwar viele Papiere unterschrieben. Deren Bedeutung ist bisher aber sehr überschaubar. Die großen Gesetzesvorstöße hängen alle in der Schwebe. In einer Disziplin setzt der US-Präsident allerdings tatsächlich neue Maßstäbe. Denn als sich Trump nach der Kabinettssitzung im Stile eines Parteikongresses in Nordkorea wieder an seinen Schreibtisch setzte, flatterte wenig später eine Klage der Staatsanwaltschaften aus Maryland und Washington D.C. wegen des Verstoßes gegen eine Verfassungsklausel ins Oval Office, die dem Präsidenten die Annahme von Zuwendungen ausländischer Regierungen untersagt. Es geht um das von Trumps Firma betriebene Hotel in der Hauptstadt, in dem die Emissäre ausländischer Regierungen Hof halten, um im Weißen Haus Eindruck zu machen.Der von Trump als eine seiner ersten Amtshandlungen Ende Januar verordnete Einreisestopp für Bürger aus sieben muslimischen Ländern erhielt am gleichen Tag eine erneute Abfuhr vor Gericht, weil die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes in Frage steht, die am Ende wohl der Supreme Court klären wird. Währenddessen liefen die Untersuchungen des FBI unter der Leitung eines vom Justizministerium eingesetzten Sonderermittlers weiter, der dem Verdacht der Einflussnahme der russischen Regierung auf den US-Wahlkampf nachgeht und dabei auch die Verstrickung von Trumps Wahlkampfteams unter die Lupe nimmt.Mittlerweile wurde bekannt, dass das FBI in diesem Zusammenhang wohl auch gegen den Präsidenten persönlich ermittelt, weil es Anhaltspunkte dafür gibt, dass Trump die Justiz behindert haben könnte. Der Justizausschuss im Senat will deshalb eine eigene Untersuchung einleiten. Die Geheimdienstausschüsse im Senat und im Repräsentantenhaus sind in der Angelegenheit längst aktiv, und Trump hat nach einem Auftritt des von ihm gefeuerten Ex-FBI-Chefs James Comey angekündigt, dass er bereit wäre, selbst unter Eid vor dem Senatsausschuss auszusagen.Zehn Tage in der Präsidentschaft von Donald Trump, die noch keine 150 Tage alt ist – und es waren wohl noch nicht die schlimmsten. Einen Mangel an Aktivität kann man dem Präsidenten wahrlich nicht vorwerfen, allein die Beratungen mit seinen Anwälten dürften den Mann mittlerweile ordentlich auf Trab halten. Doch selbst wenn man sich von Trumps Claqueuren davon überzeugen ließe, dass die Untersuchungen rund um das Weiße Haus wie von ihnen behauptet nur politisch motiviert sind, ist nicht zu erkennen, wie diese Präsidentschaft noch in die Spur finden soll. Einmal abgesehen davon, dass es nicht die Aufgabe der Opposition ist, den Präsidenten zu schützen; es ist nicht der Sumpf, den Trump in Washington trockenlegen wollte, durch den er jetzt waten muss, wie er es mit seinen Schimpftiraden gegen Ermittler des FBI, die Medien und die politischen Gegner nahelegen möchte. Der Präsident hat den Karren im Rekordtempo ganz allein in den Morast gefahren. Er ist dem Amt nicht gewachsen, und das wissen auch die Mitglieder seines Kabinetts, die ihm für die neue Arbeitswoche Mut zusprechen.——–Von Stefan ParaviciniUS-Präsident Donald Trump hat versprochen, in Washington einen Sumpf trockenzulegen. Stattdessen versinkt er in dem Morast, in den er sich selbst manövriert hat.——-