Kaufhäuser in der Krise

Aus der Zeit gefallen

Kaufhäuser stecken seit Jahrzehnten in der Krise. Wie sehr, zeigen Umsatz- und Personaldaten des Statistischen Bundesamts. Dabei könnten den Konsumtempeln mit etwas Fantasie durchaus neues Leben eingehaucht werden. Rein am Sortiment kann es nämlich nicht liegen.

Aus der Zeit gefallen

Die Zeiten, in denen das Kaufhaus in der Innenstadt die einzige Möglichkeit war, schnell mit nur einem Stopp sämtliche Einkäufe innerhalb kürzester Zeit zu erledigen, sind lange vorbei. Bettwäsche, Accessoires, Lebensmittel, Geschenk- und Drogerieartikel müssen auch nicht mehr mühsam durch die langen Einkaufsmeilen zum Auto geschleppt werden. Selbst der Shoppingtrip in die Zentren auf der grünen Wiese können auf den Lebensmittelkauf reduziert werden. Denn schließlich gibt es ja das Internet, in dem Preise bequem verglichen, zu jeder Tages- und Nachtzeit bestellt werden kann und alles bis vor die Haustür geliefert wird.

Kein Wunder also, dass es dem stationären deutschen Einzelhandel nicht gut geht. Zumal noch dazu die nur langsam rückläufige Inflation an der Kaufkraft der Verbraucher nagt. Nachdem vor allem die Lebensmittelpreise lange Zeit kräftig gestiegen sind, wird nicht nur an größeren Anschaffungen gespart, sondern auch bei Nahrungsmitteln.

Umsatzeinbruch

Wie tief vor allem die Kaufhäuser in der Krise stecken, zeigt der Vergleich der Umsatz- und Beschäftigungszahlen des Jahres 2023 mit denen von 2003. Wobei allerdings die Konsumtempel bereits vor zwei Dekaden schon etwas aus der Zeit gefallen wirkten und mit dem hippen Klamottengeschäft von nebenan nicht mehr mithalten konnten. Oder mit den unzähligen Deko- und Krimskramsläden, die seit einem Jahrzehnt zuvor wie Pilze aus dem Boden schossen.

Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) haben die Kauf- und Warenhäuser 2023 real, also preisbereinigt, 34,8 % weniger Umsatz gemacht als 2003. Dahingegen verbuchte der stationäre Einzelhandel im selben Zeitraum insgesamt ein Umsatzplus von 11,3%. Die Wiesbadener Statistiker betrachten dabei neben klassischen Kaufhäusern auch Ladengeschäfte mit gemischtem Warenangebot und dem Schwerpunkt Nicht-Nahrungsmittel. Der Versand- und Onlinehandel aber erhöhte währenddessen die Erlöse um 170,1%.

Corona hat die Krise verschärft

Dass Corona dem Geschäft der Kauf- und Warenhäuser nicht den finalen Nackenschlag gegeben hat, zeigt das reale Umsatzplus 2022 von 13,1% zum Vorjahr. 2023 allerdings fielen die Umsätze im Vergleich zum Vorjahr erneut zurück, und zwar real um 3,9%.

Mit dem Umsatzrückgang bauten die Kaufhäuser auch kräftig Jobs ab: 2023 beschäftigte dieser Bereich des Einzelhandels gut ein Fünftel (21,7%) weniger Personal als 2003. Allerdings zeigte sich auch hier eine Erholung vom Corona-Einbruch. Während in den Pandemiejahren 2020 (–2,4% zum Vorjahr) und 2021 (–1,8%) noch Stellen gestrichen wurden, erhöhte sich die Beschäftigtenzahl 2022 um 3,9% und 2023 um 5,2%.

Dass die Warenhäuser ihre Position als zentraler Anziehungspunkt verloren haben, zeigt auch der Vergleich mit den anderen, besonders häufig in Innenstädten vertretenen Einzelhandelszweigen. Den Destatis-Daten zufolge haben die Kaufhäuser nur einen einzigen Leidensgenossen – der Einzelhandel mit Büchern verzeichnete 2023 mit –44,1% gegenüber dem Jahr 2003 ähnlich hohe Umsatzeinbußen. Ein Schelm, der hier den Einfluss eines Onlinebuchhändlers vermutet. Interessanterweise verbuchte im selben Zeitraum der stationäre Einzelhandel mit Bekleidung (+4,6%), mit Spielwaren (+6,0%) sowie mit Uhren und Schmuck (+9,1%) steigende Umsätze. Der Einzelhandel mit Schuhen und Lederwaren konnte seine Umsätze binnen 20 Jahren sogar um 40,5% nach oben schrauben. Am besten liefen aber die Geschäfte mit Geräten der Unterhaltungselektronik. Hier gab es ein Umsatzplus von 175,7% im Jahr 2023 gegenüber 2003.

Neue Strategie nötig

Diese Vergleiche sprechen dafür, dass es gar nicht mal so sehr der Standort oder das Warensortiment sein dürften, warum das Kaufhaus ausgedient zu haben scheint. Zumal es einige kleinere Kaufhäuser gibt, deren Geschäfte gut laufen. Bei der letzten großen Warenhauskette Deutschlands, Galeria Kaufhof Karstadt, war es sicher die Pleite von Signa, die zur dritten Insolvenz in drei Jahren geführt hat. Die Gespräche zum Verkauf des Warenhauskonzerns mit noch rund 15.000 Angestellten laufen derzeit. Sollen dann die Geschäfte reüssieren, bedarf es sicher einer anderen, moderneren Warenpräsentation und professioneller Kundenberatung verbunden mit einer pfiffigen Onlinestrategie.

Es genügt schon lange nicht mehr, dass bereits mit der Großmutter dort die Einkäufe für sämtliche Gegebenheiten des Lebens getätigt wurden und es zur Belohnung danach in der kaufhauseigenen Gastronomie – die meist eher den Charme einer Großkantine versprühte – zur Belohnung ein Stück Kuchen gab. Seither scheint sich in Kaufhäusern auch nichts Wesentliches verändert zu haben. Und um mit nostalgischen Gefühlen zu punkten, wirken sie allen Renovierungsbemühungen zum Trotz einfach zu schäbig. Ein Blick ins Ausland könnte für Anregungen sorgen: Das Pariser La Samaritaine am Pont Neuf etwa beherbergt neben dem Kaufhaus Büros, Wohnungen und einem Kindergarten auch ein Vier-Sterne-Hotel.

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