Wirecard-Prozess

Ex-Aufsichtsrätin belastet Markus Braun schwer

Im Betrugsprozess um die Insolvenz von Wirecard hat ein weiteres früheres Aufsichtsratsmitglied den Hauptangeklagten, Ex-CEO Markus Braun, schwer belastet. Vor Gericht berichtete Tina Kleingarn über zahlreiche Missstände im Konzern.

Ex-Aufsichtsrätin belastet Markus Braun schwer

„Wirecard-Vorstand war die Kontrolle lästig“

Ex-Aufsichtsrätin Tina Kleingarn belastet Hauptangeklagten Markus Braun schwer

Von Stefan Kroneck, München

Im Betrugsprozess um den kollabierten Zahlungsabwickler Wirecard hat ein weiteres ehemaliges Mitglied des Aufsichtsrats kein gutes Haar an dem Hauptangeklagten, Ex-Chef Markus Braun, gelassen. Am 116. Verhandlungstag in dem Mammutverfahren vor dem Landgericht München I berichtete Tina Kleingarn über eine Fülle von Missständen in der Corporate Governance des Fintech-Unternehmens. In ihrer Befragung durch den Vorsitzenden Richter Markus Födisch rügte die heute 49-Jährige den mangelhaften Informationsfluss des Vorstands an den Aufsichtsrat, strukturelle Schwächen in den Arbeitsprozessen der Konzernführung und Einflussnahmen des damaligen Vorstandsvorsitzenden auf die Entscheidungen des Kontrollgremiums.

Das waren auch die Gründe dafür, dass die frühere Investmentbankerin ihr Aufsichtsratsmandat bei Wirecard nach nur eineinhalb Jahren vorzeitig niederlegte. Kleingarn gehörte von Mitte 2016 bis Ende 2017 dem Kontrollorgan an.

Prophetische Warnung

In ihrer schriftlichen Begründung für den Schritt an den damaligen Chefaufseher Wulf Matthias, der Ende 2022 verstarb, zeigte sie sich prophetisch: Sollte keine radikale Änderung bei Wirecard eintreten, würden sich die aus den Mängeln entstehenden Risiken häufen und schlussendlich das Unternehmen spürbar belasten, warnte sie. Kleingarn räumte ein, dass seinerzeit aus ihrer Sicht noch keine Anhaltspunkte für Betrug bestanden. Ähnlich kritisch wie sie äußerten sich vor der Strafkammer des Gerichts bereits vier andere ehemalige Aufsichtsratsmitglieder im Zeugenstand, darunter Thomas Eichelmann, der das Gremium in den letzten Monaten bis zur Insolvenz von Wirecard im Sommer 2020 leitete. Im Untersuchungsausschuss des Bundestages zum Fall Wirecard sorgte Kleingarn im Herbst 2020 für Aufsehen, als sie detailliert über die damaligen Zustände in den obersten Etagen des Konzerns Auskunft erteilte.

„Ich hatte das Gefühl, dass dem Vorstand die Kontrolle durch den Aufsichtsrat lästig war“, sagte die Zeugin in ihrer Vernehmung. Kleingarns Angaben nach dauerte es „immer unglaublich lange“, bis der Vorstand dem Aufsichtsrat notwendige Unterlagen für Entscheidungen einreichte. Während ihres Mandats lehnte sie drei Kreditanfragen des Vorstands ab, mit der Begründung, dass die Informationen dazu nicht ausreichten. „Man musste immer wieder nachfragen, um Auskünfte zu erhalten. Diese waren aber auch nicht ausreichend.“

„In die Enge getrieben“

In der Zusammenarbeit des Aufsichtsrats mit dem Vorstand bezeichnete sie Brauns Wirken als „dominant“. Sie wies darauf hin, dass der damalige CEO auch mit rund 8% am Unternehmen beteiligt war. Daraus ergab sich eine „Machtposition“. Kleingarn beschrieb Matthias als „weitaus weniger kritisch“ als sie selbst. Sie berichtete von ihren erheblichen Bedenken im Jahr 2017, dass auf den Finanzvorstand Burkhard Ley der Banker Alexander von Knoop folgen sollte. Der Manager der Konzerntochter Wirecard Bank übernahm den CFO-Posten 2018. Kleingarn hielt diesen für nicht geeignet, konnte sich aber seinerzeit mit ihrer Meinung nicht durchsetzen. Der Vorstand übte ihrer Schilderung zufolge Druck auf den Aufsichtsrat aus, um die CFO-Nachfolgerung im Sinne Brauns so rasch wie möglich zu bewerkstelligen. „Ich fühlte mich in die Enge getrieben“, so Kleingarn.

In Bezug auf das Drittpartnergeschäft sei sie, so die Zeugin, damals überrascht gewesen, dass dieser Bereich einen „hohen“ Anteil am Konzerngewinn habe. Wirecard implodierte, als dieses Geschäft sich als Luftbuchung erwies und 1,9 Mrd. Euro auf Treuhandkonten zu diesen Aktivitäten nicht auffindbar waren.