China vor nur leichter Abkühlung

Struktureller Umbau macht Fortschritte - Bremseffekt durch Deleveraging und Immobilienwende

China vor nur leichter Abkühlung

China sieht mit dem Jahresauftakt 2017 etwas ruhigeren Konjunkturperspektiven entgegen. Vor allem die Industrie hat sich nach einer Schwächephase im vergangenen Jahr wieder deutlich erholt. Allerdings dürften eine Dämpfung am Immobilienmarkt und die Bemühungen zum Verschuldungsabbau das Wachstumstempo im neuen Jahr wieder etwas drosseln. Bei den Analysten pendeln sich die Erwartungen auf ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zwischen 6,3 und 6,5 % ein.Von Norbert Hellmann, SchanghaiChinas Konjunkturperformance ist derzeit kein großer Sorgenfaktor für die internationale Finanzgemeinde. In scharfem Gegensatz zum Januar 2016, als Panikschübe an den Märkten die Gefahr einer “harten Landung” der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft reflektierten, ist das Gros der Ökonomen und Marktteilnehmer nun der festen Überzeugung, dass sich Chinas Wirtschaftswachstum auf hohem Niveau jenseits von 6 % halten lässt. WachstumslokomotiveChinas Wirtschaftsplaner verbreiten verhaltenen Optimismus. Im Jahr 2016 werde das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 6,7 % zulegen und auch in den kommenden Jahren dank fortgesetzter struktureller Reformen sowie neuer Wachstumstreiber ein hohes Wachstumstempo halten können, betont der Chef der Wirtschaftsplanungsbehörde National Development and Reform Commission (NDRC), Xu Shaoshi. Dabei werde sich China auch in einer globalwirtschaftlichen Perspektive weiterhin als wichtigste Wachstumslokomotive erweisen.2016 dürfte China rund 1,2 Prozentpunkte und damit über 30 % des weltweiten BIP-Wachstums beigesteuert haben, während die USA nur auf einen Beitrag von etwa 0,3 Prozentpunkten komme, betont Xu. Bei der NDRC wird auf Erfolge in den strukturellen Anpassungen hin zu einem mehr konsumgeleiteten und nachhaltigeren Wachstumsmodell für Chinas Wirtschaft verwiesen. In den ersten drei Quartalen hatte der Konsum mit 71 % zum Wirtschaftswachstum beigetragen, das waren 13 Prozentpunkte mehr als im vorangegangenen Jahr. Auch liegt der Anteil der Dienstleistungen am gesamtwirtschaftlichen Output mit 52,8 % nun deutlich über dem des Industriesektors mit 39,5 %.Diese Verlagerungstendenz macht Chinas Wirtschaft etwas weniger von der Schwerindustrie und dem Außenhandel als klassischen Wachstumstreibern abhängig. Allerdings ist sie im vergangenen Jahr nur im Zuge einer sukzessiven Erstarkung der Industrieproduktion in der zweiten Jahreshälfte, des Forcierens von öffentlichen Infrastrukturinvestitionen und nicht zuletzt dank der Sogeffekte einer Immobilienpreishausse in Chinas Großmetropolen auf Kurs gehalten worden. Immobilienhausse läuft ausDer Immobilienboom lässt sich im laufenden Jahr nicht mehr fortsetzen, nachdem die Regierung auf die Gefahren einer Assetpreisblase reagiert. Sie setzt auf Restriktionen und preisdämpfende Maßnahmen und will dabei auch den gewaltigen Auftrieb an Hypothekenfinanzierungen bei Banken und Schattenbanken zu bremsen versuchen. Dies steht im Zeichen der stärker in den Fokus gerückten Bemühungen zum sogenannten Deleveraging, um die Verschuldungsproblematik im Unternehmenssektor anzugehen.China will verhindern, dass die Schuldenlast von heimischen Nichtfinanzinstituten über das jetzige Niveau hinausgeht. Zuletzt hat der Schuldenstand im Unternehmenssektor 169 % der Wirtschaftsleistung erreicht und ist damit nach internationalen Maßstäben sehr rasch angewachsen. Verschuldungsabbau tut notDie UBS-Chefökonomin für China, Wang Tao, sieht eine positive Wirkung der im Herbst eingetretenen Wende bei den Erzeugerpreisen, mit der eine lange Deflationsphase durchbrochen wurde. Dies helfe, zu einem “Deleveraging” im Reich der Mitte beizutragen, und werde sich auch positiv auf die Kreditausfallraten bei Banken und die Default-Gefahren am chinesischen Bondmarkt auswirken, betonte Wang jüngst auf einer Analystenkonferenz der UBS in Schanghai. Die Entwicklung der chinesischen Erzeugerpreise dürfte nach ihrer Einschätzung aber kaum dazu führen, dass die chinesische Zentralbank von ihrer für das Jahr 2017 ausgegebenen Grundlinie einer neutralen Geldpolitik Abstand nehmen muss.Auch wenn für das neue Jahr damit kaum Leitzinserhöhungen ins Haus stehen, rechnet sie damit, dass zur Sicherung der Finanzstabilität eine etwas restriktivere geldpolitische Ausrichtung gefahren wird. In Verbindung mit einer leicht nachlassenden Konsumkonjunktur und den Dämpfungseffekten am Immobilienmarkt sind Bremseffekte für die Wirtschaft zu erwarten, die sich mit neuen fiskalischen Impulse nur bedingt abfangen lassen. Dies dürfte darauf hinauslaufen, dass Chinas Wachstumstempo nach einer Abschwächung von 6,9 auf 6,7 % im ersten Quartal des vergangenen Jahres, der eine Plateaubildung folgte, im neuen Jahr nun wieder erneut etwas abkühlt.Seitens der UBS rechnet man denn auch damit, dass Chinas BIP-Wachstum 2017 nur noch etwa 6,4 % erreichen wird, was knapp unterhalb des im letzten Jahr veranschlagten Wachstumsziels von 6,5 bis 7 % liegen würde. Bei den chinesischen Researchhäusern und auch der China Academy of Social Sciences geht man indes davon aus, dass auch für 2017 die Marke von 6,5 % erreicht wird. Sie hat eine besondere Bedeutung, weil China im neuen Fünfjahresplan eindeutig festgehalten hat, dass für die Periode bis Ende 2020 ein durchschnittliches jährliches BIP-Wachstum von mindestens 6,5 % erreicht werden muss. Dies schafft einen gewissen Zwang, der auch auf die Gestaltung der jährlichen Zielvorgaben zurückstrahlt. Flexibleres Wachstumsziel?Nach dem bisherigen Usus wird die Regierung das offizielle Wachstumsziel für das Jahr 2017 erst im Frühjahr zum Anlass des jährlichen Wirtschaftsberichts auf dem chinesischen Volkskongress festlegen. Dabei lebt gegenwärtig eine Diskussion auf, ob sich Peking möglicherweise eine weitere Flexibilisierung des Wachstumsziels leistet und es auf einen erweiterten Korridor von 6 bis 7 % auslegt. Dies hätte nach Ansicht von Experten den positiven Effekt, mehr Spielraum für beherztere strukturpolitische Reformen und die Reduzierung von Überkapazitäten zu geben, die sich kurzfristig eher wachstumsdämpfend auswirken.Eine leichte Unterschreitung der 6,5-%-Marke im neuen Jahr würde die als sakrosankt geltende Wachstumsvorgabe aus dem Fünfjahresplan nicht notwendigerweise kompromittieren. Dies hätte vielmehr den Charme, dass Peking sich im neuen Jahr tatsächlich stärker auf das Angehen von Finanzstabilitätsrisiken und Verschuldungsgefahren konzentrieren kann, ohne dabei die Erwartungen der Finanzmarktteilnehmer zu enttäuschen.