Deutsche Industrie schwächelt
Der leichte Teil der Erholung ist für das deutsche verarbeitende Gewerbe vorbei. Da die Automobilindustrie im August überraschend kräftig auf die Bremse getreten ist, ist die Gesamtproduktion unerwartet geringer als im Vormonat ausgefallen. Das dritte Quartal dürfte dennoch ein kräftiges Wachstum zeigen.ba Frankfurt – Die deutsche Industrie hat im August nach zwei starken Monaten deutlich an Schwung verloren und die Produktion unerwartet gedrosselt. Vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) zufolge haben Industrie, Bau und Energieversorger zusammen 0,2 % weniger gefertigt als im Vormonat. Ökonomen wurden von dem Minus nach den drei aufeinanderfolgenden Anstiegen von 1,4 % im Juli, 9,3 % im Juni und 7,4 % im Mai überrascht – sie hatten mit einem Plus von 1,0 % im Mittel gerechnet. Sie erwarten dennoch, dass sich die Wirtschaft im dritten Quartal kräftig vom Coronaschock erholt hat, bevor das Wachstum im vierten Quartal wieder weniger dynamisch verlaufen wird.Dafür sprechen auch die jüngst weiter aufgehellten Stimmungsindikatoren, die anziehenden Auftragseingänge und die rückläufige Kurzarbeit. Der leichte Rückgang im August gefährde den seit Mai nach der Lockerung des harten Lockdowns laufenden Erholungstrend nicht, betonte das Bundeswirtschaftsministerium gestern mit Blick auf die Produktionsdaten. Zuletzt habe die Produktion in der Industrie bei nahezu 90 % des Vorkrisenniveaus vom vierten Quartal 2019 gelegen. “Die gute Nachricht ist, dass die Erholung im dritten Quartal trotz der jüngsten Schwäche eine ausgemachte Sache ist”, sagte Unicredit-Chefvolkswirt Andreas Rees. Er verwies auf den Anstieg um fast 11 % des Durchschnitts der Industrieproduktion im Juli/August im Vergleich zum zweiten Quartal. Eine erste Schnellschätzung zur wirtschaftlichen Entwicklung im dritten Quartal gibt Destatis am 30. Oktober bekannt. In den drei Monaten bis Juni war die Wirtschaft um 9,7 % eingebrochen.Sorge bereiteten aber weniger die Produktionszahlen des Sommers, sondern vielmehr diejenigen des Herbstes, warnte Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank: Im Sommer war nach dem tiefen Loch infolge der Eindämmungsmaßnahmen “alles auf Erholung programmiert”. Im Herbst nun würden sich strukturelle Wachstumsschwierigkeiten, die schon vor der Coronakrise bestanden hätten, wieder nach oben graben. Die Umstellung auf die Elektroautomobilität stelle die Industrie vor eine der größten Herausforderungen seit dem Zweiten Weltkrieg. Dazu käme die zweite Infektionswelle, die durch Europa fege und mit Donald Trump und Boris Johnson stünden noch zwei unkalkulierbare Persönlichkeiten im Rampenlicht. Für die deutschen Exporteure seien das keine guten Nachrichten. Die exportabhängige Industrie im engeren Sinne fertigte im August 0,7 % weniger als im Vormonat – ursächlich dafür war der Produktionsrückgang von 12,5 % in der größten Branche des verarbeitenden Gewerbes, der Automobilindustrie, nach einem Plus von 8,9 % im Juli. Der Output liegt damit knapp 25 % unter dem Wert vom Februar 2020, dem letzten Monat vor Beginn des Lockdowns. Ralph Solveen von der Commerzbank verweist allerdings auf die vergleichsweise Lage der Werksferien der Autobauer, “die die Produktion im August wesentlich stärker beeinträchtigt haben, als dies sonst der Fall ist”.Das Baugewerbe, zu Beginn der Coronakrise scheinbar immun, “scheint aber ein wenig seines Zaubertranks verloren zu haben”, kommentiert Martin Moryson, Chefvolkswirt Europa bei der DWS. Destatis vermeldet hier ein Minus von 0,3 % im Monatsvergleich. Die Energieerzeugung hingegen wurde um 6,7 % ausgeweitet.Da in Spanien und damit der drittgrößten Euro-Volkswirtschaft die Produktion mit +0,4 % ebenfalls schwächer als mit +0,9 % erwartet ausgefallen ist – stehen die Aussichten für die am 14. Oktober anstehenden Daten zur Eurozone nicht mehr ganz so gut. Diesen Freitag folgen aber zunächst Länderdaten aus Frankreich und Italien.