Deutsche Inflation verpasst EZB einen Dämpfer
Inflation verpasst EZB einen Dämpfer
Teuerung in Deutschland klettert auf 2,4 Prozent – Energiepreise sinken kaum noch – Kernrate legt zu
Ungünstige Basiseffekte haben die Inflation in Deutschland steigen lassen. Doch auch die Kernrate erweist sich als hartnäckiger als erwartet und die Teuerung bei Dienstleistungen legt kräftig zu. Die Zeichen stehen auf einer längeren Zinspause der EZB, denn auch die Inflation im Euroraum dürfte deutlich steigen.
mpi Frankfurt
Die Inflation ist im September in Deutschland auf den höchsten Stand des Jahres gestiegen. So legten die Verbraucherpreise nach einer Erstschätzung des Statistischen Bundesamtes um 2,4% im Jahresvergleich zu. Ökonomen hatten dagegen nur mit einer Zunahme von 2,1 auf 2,2% gerechnet.
Ein Grund für den Anstieg ist, dass die Energiepreise die Inflation inzwischen kaum noch dämpfen. Hier gab es nur einen Rückgang um 0,7%, nach −2,4 und −3,4% in den Monaten davor. Zudem legte die Dienstleistungsinflation, auf die die EZB derzeit ein besonderes Augenmerk legt, deutlich zu. Die Teuerung in diesem Sektor betrug im September 3,4%. Das sind 0,3 Prozentpunkte mehr als noch im August.
In der Folge stieg auch die Kernrate der Inflation als Indikator für den unterliegenden Preistrend. Bei ihr werden die schwankungsanfälligen Lebensmittel- und Energiepreise von den Statistikern ausgeklammert. Die Kerninflation legte von 2,7 auf 2,8% zu. „Diese erweist sich damit als hartnäckiger als dies viele erwartet haben und warnt damit davor, dass die Inflationsrisiken auf mittlere Sicht größer sein könnten, als mancher denkt“, sagt Ralph Solveen, Ökonom bei der Commerzbank. „Trotz der seit einigen Jahren schwachen Konjunktur legen die Preise immer noch deutlich schneller zu, als die EZB dies gerne hätte“, ergänzt er.
Hohe Hürde für Zinssenkung
ING-Chefökonom Carsten Brzeski erwartet ebenfalls keine zeitnahe Anpassung der Geldpolitik durch die EZB. „Die deutschen Inflationsdaten werden die Aufmerksamkeit der Falken auf sich ziehen, da sie das Argument für eine hohe Hürde für eine weitere Zinssenkung durch die EZB untermauern.“ Brzeski geht davon aus, dass die Inflation in Deutschland in den kommenden Monaten jedoch wieder etwas nachlassen wird. Zum einen führt er die Aufwertung des Euro gegenüber dem Dollar an, was Importe in die Eurozone verbilligt und zudem den Außenhandel dämpft. Beides senke den Inflationsdruck in Deutschland. Zudem verweist er auf den schwächelnden deutschen Arbeitsmarkt, von dem ein gewisses Disinflationsrisiko ausgehe.
Am Mittwoch veröffentlicht Eurostat die Inflationszahlen für die gesamte Eurozone. Ein starker Anstieg der Teuerung ist sehr wahrscheinlich. „Nach drei sehr ruhigen Monaten deutet sich im September wieder eine deutlichere Bewegung bei der Teuerungsrate der Eurozone an“, sagt Daniel Hartmann, Chefvolkswirt beim Vermögensverwalter Bantleon. „Konkret sollte sie einen Satz nach oben machen: von 2,0% auf 2,3%.“ Neben Deutschland ist auch die Inflation in Italien, Belgien und Irland höher ausgefallen als erwartet. In Spanien, Frankreich und Portugal fiel die Teuerung hingegen niedriger aus als prognostiziert.
EZB zufrieden mit Inflationsausblick
EZB-Präsidentin Christine Lagarde sagte am Dienstag auf einer Konferenz in Helsinki, dass die Risiken für die Inflation nach oben wie unten derzeit eingedämmt seien. Die Notenbank befinde sich weiterhin in einer guten Position. Sie könne sich angesichts zahlreicher Unsicherheiten jedoch nicht auf einen bestimmten Zinspfad festlegen.
Tags zuvor hatte sich EZB-Chefökonom Philip Lane auf einer Konferenz in Frankfurt ähnlich geäußert. „Es sieht nicht so aus, als würden wir zu dem Gleichgewicht mit sehr niedriger Inflation aus der Zeit vor der Pandemie zurückkehren“, sagte er bei einer Podiumsdiskussion. Seiner Einschätzung nach scheint es aber auch nicht so zu sein, als gäbe es „erhebliche Risiken, dass die Inflation deutlich über dem Inflationsziel bleibt“.