Deutsche Produktion bricht ein

Unternehmen senken Output im Juli unerwartet um 1,5 Prozent - Stärkstes Minus seit fast zwei Jahren

Deutsche Produktion bricht ein

Die deutsche Industrie ist sogar noch schwächer als erwartet in die zweite Jahreshälfte gestartet. Die Unternehmen haben die Produktion im Juli so stark zurückgefahren wie seit August 2014 nicht mehr.ba Frankfurt – Die im bisherigen Jahresverlauf verhaltenen Auftragseingänge haben bereits angedeutet, dass die Industrie schwach ins zweite Halbjahr gestartet ist. Dass das verarbeitende Gewerbe hierzulande seine Produktion im Juli allerdings so stark drosselt wie seit August 2014 nicht mehr, war dann doch überraschend. Ökonomen sehen dennoch keinen Grund zur Panik.Industrie, Baubranche und Energieversorger produzierten im Juli zusammen preis-, saison- und arbeitstäglich bereinigt 1,5 % weniger als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) gestern mitteilte. Bankvolkswirte hatten hingegen ein Plus von 0,2 % auf der Rechnung. Im Juni weiteten die Unternehmen ihren Ausstoß noch um revidiert 1,1 (zuvor: 0,8) % aus. Ursächlich für den überraschenden Rückgang war die Industrie im engeren Sinne, die ihre Produktion um 2,3 % gegenüber Juni zurückfuhr. Bauproduktion und Energieerzeugung legten dagegen mit 1,8 % bzw. 2,6 % gegenüber Juni kräftig zu.Für den Rückgang nennen Ökonomen mehrere Ursachen – diesen auf einen einzigen Faktor zurückzuführen sei nicht möglich, sagt ING-Chefökonom Carsten Brzeski. So habe der Abwärtstrend bereits vor dem Brexit-Votum eingesetzt, aber auch die Nachfrageschwäche Chinas und der Eurozone wirke belastend, ebenso wie der generelle Wandel von der Industrie hin zu den Dienstleistern als Wachstumstreiber. Die Chancen, dass das vormalige Rückgrat der deutschen Wirtschaft schnell zu alter Stärke zurückfindet, stünden daher schlecht. Deutschland werde immer abhängiger von der Binnennachfrage. In dem Kontext sei es sinnvoller, statt über mögliche Steuersenkungen zu diskutieren, verstärkt Anreize für mehr Unternehmensinvestitionen zu setzen, für besseren Zugang zu Venture Capital zu sorgen sowie öffentliche Investitionen in Bildung und Infrastruktur anzukurbeln – Instrumente also, die nachhaltiges Wachstum fördern, statt für kurzfristige Stimuli zu sorgen. Erst wenn sich die weltweite Investitionszurückhaltung lege und der Welthandel anspringe, werde die deutsche Wirtschaft wieder zur Hochform auflaufen, findet Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. Im Juli sei die Industrieproduktion “regelrecht abgeschmiert”. Dabei falle die aktuelle Zahl weniger ins Gewicht als die insgesamt magere Entwicklung seit Jahresbeginn. “Ohne den privaten Konsum und die Bauinvestitionen fielen die Zuwachsraten des deutschen BIP betrüblich aus”, so Gitzel.Stefan Kipar von der BayernLB wertet die Stabilisierung der Bauproduktion nach einigen schwachen Monaten als Indiz, dass der Witterungseffekt nach dem ungewöhnlich warmen Winter, wodurch viele Bauprojekte vorgezogen wurden, nun vollständig an Einfluss verloren hat. Der häufig erwartete Bauboom stehe aber noch aus, meint Ralph Solveen von der Commerzbank. Für den Rücksetzer der Industrieproduktion macht er teilweise Sondereffekte verantwortlich. So lagen die Werksferien der Automobilindustrie 2016 “wohl wieder vermehrt im Juli”. Hier sank der Output um 5,6 %. Allerdings signalisierten die Zahlen des Automobilverbandes (VDA) für August eine Gegenbewegung, so dass folglich die gesamte Industrie ein deutliches Plus vermelden werde. Tobias Rühl von der Unicredit dagegen wertet die Daten der Autobranche als erste Folge der Verunsicherung nach dem Brexit-Votum, da 13 % der deutschen Autos nach Großbritannien exportiert werden.