Konjunktur

Deutschland bremst Euro-Wirtschaft

Die Wirtschaft im Euroraum ist im ersten Quartal geschrumpft. Besonders heftig hat es die deutsche Wirtschaft erwischt. Ökonomen bleiben aber zuversichtlich, dass mit mehr Impfungen die Erholung einsetzt.

Deutschland bremst Euro-Wirtschaft

Von Alexandra Baude, Frankfurt

Die Corona-Pandemie hat die Wirtschaft im Euroraum im Winterhalbjahr in die Rezession geschickt. Der überraschend kräftige Rückgang der deutschen Wirtschaft zum Jahresstart hat ein Gutteil dazu beigetragen. Dies ändert jedoch nichts an der Einschätzung der Ökonomen, dass sowohl im Euroraum im Ganzen als auch in den einzelnen Mitgliedsländern zur Jahresmitte eine Wirtschaftserholung Fahrt aufnehmen wird. Denn die Impfungen schreiten immer rascher voran, die Infektionszahlen sinken und teilweise werden erste Restriktionen gelockert. Zudem kommt vom anziehenden Welthandel Rückenwind. Im internationalen Vergleich aber wird die Eurozone ein Nachzügler sein.

Vorläufigen Daten des Statistikamts Eurostat zufolge ist die Wirtschaft in den 19 Ländern des gemeinsamen Währungsraums im ersten Quartal um 0,6% zum Vorquartal geschrumpft (siehe Grafik). Ökonomen hatten nach dem Minus von 0,7% zum Jahresende 2020 ein etwas stärkeres Schrumpfen von 0,8% erwartet. Mit zwei Rückgängen in Folge ist die Definition einer technischen Rezession erfüllt. Die Rezession in den ersten beiden Quartalen des Coronajahres 2020 war allerdings mit −3,7% und −11,6% wesentlich stärker ausgefallen.

Am heftigsten unter den großen Euro-Ländern hat es Deutschland erwischt: Den vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamts (Destatis) zufolge fiel das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,7%. Im Mittel hatten Ökonomen ein Minus von 1,5% prognostiziert. Im Rückwärtsgang waren auch die Wirtschaft Spaniens (−0,5%) und Italiens (−0,4%). In Frankreich hingegen legte das BIP 0,4% zu. Laut dem nationalen Statistikamt Insee stiegen in der nach Deutschland zweitgrößten Euro-Volkswirtschaft trotz der coronabedingten Restriktionen sowohl die Konsumausgaben als auch die Investitionen der Unternehmen, wohingegen der Außenhandel bremste.

Hierzulande sieht es ähnlich aus: Besonders der private Konsum war von der Coronakrise betroffen, „während die Warenexporte die Wirtschaft stützten“, wie Destatis am Freitag mitteilte. Ausführlichere Ergebnisse liefern die Wiesbadener Statistiker am 25. Mai. Weitere Belastungen dürfte den jüngsten Konjunkturdaten zufolge von der Lagerentwicklung gekommen sein und auch der Bau zeigte sich von Witterung und Materialmangel belastet. Andreas Scheuerle von der DekaBank verweist auf die anhaltende Zweiteilung – „sowohl auf der Entstehungsseite zwischen Industrie und Dienstleistern, als auch auf der Verwendungsseite zwischen Außen- und Binnenwirtschaft“.

Für Schwung, so die allgemeine Erwartung, wird zunächst der Welthandel sorgen, der von der kräftigen Erholung in China und den USA profitiert. Angeführt vom Export sollte daher die Industrie wieder substanzielle Wachstumsbeiträge liefern. Zumal die leergefegten Lager wieder gefüllt und die hohen Auftragsbestände zügig abgearbeitet werden können, sobald die Lieferengpässe aufgelöst sind. Da sich die Anzeichen mehren, dass der Pandemiehöhepunkt erreicht ist, und die Google-Bewegungsdaten zeigen, dass im April trotz verschärftem Lockdown mehr Menschen unterwegs waren als im Schnitt des ersten Quartals, könnte sich im zweiten Quartal eine kräftige Erholung ergeben, erwartet Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Zusätzlichen Schwung erwartet er vom Privatkonsum: „Allein eine Normalisierung der Sparquote wird den privaten Verbrauch deutlich steigen lassen.“ Positiv sei zudem, dass Destatis das Wachstum im dritten und vierten Quartal 2020 um je 0,2 Prozentpunkte nach oben revidiert hat. ING-Chefökonom Carsten Brzeski verweist zudem auf potenzielle Spill-over-Effekte aus dem US-Fis­kal­pro­gramm und der Umsetzung des europäischen Konjunkturprogramms in der zweiten Jahreshälfte.

Alexander Krüger, Chefvolkswirt vom Bankhaus Lampe aber mahnt an, jetzt schon wirtschaftliche Spätfolgen zu fokussieren. Neben den deutlich gestiegenen Staatsschulden und Gesundheitskosten betreffe dies die Unternehmen, deren Verschuldung coronabedingt stieg.