Dissens bei den Falken der EZB
Dissens bei den Falken der EZB
Notenbanker debattieren über Zinssenkung im Juni – Fortschritte bei der Inflation
mpi Frankfurt
Der niederländische Notenbankpräsident will die Entscheidung über eine weitere Zinssenkung der EZB im Juni von den dann erscheinenden Projektionen zu Inflation und Wirtschaftswachstum abhängig machen. „Wir warten immer noch auf die neuesten Prognosen“, sagte Klaas Knot am Dienstag vor Journalisten in Amsterdam. „Daher kann ich eine weitere Zinssenkung im Juni nicht ausschließen, aber ich kann sie auch nicht bestätigen, weil wir auch die mittelfristige Perspektive berücksichtigen müssen“, führte der Falke aus. Mit Falken sind Notenbanker gemeint, die tendenziell eine straffe Geldpolitik befürworten.
Die Finanzmärkte erwarten eine achte Zinssenkung um 25 Basispunkte im laufenden Zyklus, auch wenn es teilweise mahnende Stimmen im EZB-Rat gibt. So warnte EZB-Direktorin Isabel Schnabel vor mittelfristig größeren Aufwärtsrisiken für die Inflation durch den Zollkonflikt. Die Notenbank solle bei ihrer Geldpolitik daher eine „ruhige Hand“ haben.
Debatte über neutralen Zins
Ähnlich klingt der estnische Notenbankpräsident Madis Müller. „Für mich ist der Ausgangspunkt, dass die Zinssätze bereits so niedrig sind, dass sie unsere wirtschaftliche Erholung nicht behindern“, meint er. Es müsse „klare Gründe“ dafür geben, bevor die EZB von einem aus seiner Sicht neutralen Zins zu einem expansiven Zinssatz wechselt. Die EZB müsse darüber diskutieren, ob es für diesen Schritt ausreichende Argumente gibt.
Aktuell liegt der für die Geldpolitik wichtige Einlagensatz bei 2,25%. Für manche Notenbanker wirkt damit die Geldpolitik nicht mehr restriktiv. Diese Einschätzung haben vor allem die Falken. Zu diesem Lager zählen Ökonomen allgemein neben Knot unter anderem Müller, Schnabel und auch den belgischen Notenbankpräsidenten Pierre Wunsch.
Erzeugerpreise fallen überraschend stark
Letzterer kann sich jedoch vorstellen, nicht nur im Juni den Einlagensatz ein weiteres Mal zu senken. Womöglich müsse die EZB im laufenden Zyklus den Leitzins auf „knapp unter“ 2% reduzieren, wie er im Interview der „Financial Times“ sagte. Die globalen Handelskonflikte stellten Abwärtsrisiken für Inflation und Wachstum dar.

Die Inflation lag im April im Euroraum bei 2,2%. Damit befindet sie sich nur noch knapp über dem Zielwert der Notenbank von 2%. Das Statistikamt Eurostat hatte am Montag seine erste Schätzung bestätigt. Neue Daten vom Statistischen Bundesamt deuten auf einen weiter fallenden Inflationsdruck in der größten Volkswirtschaft der Eurozone hin. Die Erzeugerpreise sanken im April im Jahresvergleich um 0,9% – und damit stärker als von Ökonomen erwartet.