Eine nützliche Panne des OBR
Eine nützliche Panne des OBR
Eine nützliche Panne
Von Andreas Hippin, London
Ein Datenleck beim Office for Budget Responsibility machte Rachel Reeves’ Haushaltsentwurf vorzeitig öffentlich.
In Londoner Handelsräumen brach die Hölle los, als ein Bericht der unabhängigen Haushaltshüter des Office for Budget Responsibility (OBR) vorzeitig auf dessen Homepage erschien. Denn der „Wirtschaftliche und fiskalpolitische Ausblick“ des OBR enthielt alle wesentlichen Punkte des Haushaltsentwurfs, den Schatzkanzlerin Rachel Reeves erst mehr als 40 Minuten später vorstellen wollte.
Die Entwicklung der Renditen britischer Staatsanleihen (Gilts) nach dem Datenleck zeigt, wie marktrelevant die im Bericht enthaltenen Daten waren. Reeves blieb dadurch ein Szenario erspart, in dem ihr Vortrag im Unterhaus von einem rasanten Renditeanstieg der Gilts begleitet worden wäre. Denn den für den Bondmarkt wesentlichen Punkt, die Wiederherstellung eines nennenswerten finanziellen Spielraums durch ihren Haushalt, erwähnte sie nicht gleich zu Beginn ihres gestrigen Auftritts. Eine zweckdienliche Panne also.
OBR-Chef in der Kritik
Prompt forderten Oppositionspolitiker den Rücktritt von OBR-Chef Richard Hughes. Der entschuldigte sich für die „technische Panne“, als wäre lediglich ein Aufzug steckengeblieben. Der Labour-Schatzkanzler Hugh Dalton war 1947 gezwungen, sein Amt niederzulegen. Er hatte nur einen Satz aus seiner Haushaltsrede an einen Journalisten gegeben, wie der „Spectator“ vermerkt.
Doch Reeves sprach Hughes und dem OBR prompt ihr Vertrauen aus. Wie ihr Staatssekretär Torsten Bell arbeitete er zuvor für die linke Denkfabrik Resolution Foundation. Später verfasste er ein Entschuldigungsschreiben an die Schatzkanzlerin und die Vorsitzende des Finanzausschusses, Meg Hillier. Der BBC sagte Hughes, er schäme sich persönlich für den Vorfall. Schließlich halte sich das OBR viel auf seine Professionalität zugute.
Unfall oder Faulspiel?
Der konservative Abgeordnete Mel Stride, der im Falle eines Wahlsiegs der Tories ins Schatzamt einziehen würde, verlangte eine Untersuchung. Es könne sich bei der Panne um ein „kriminelles Vergehen“ handeln. Nun soll Ciaran Martin, ein ehemaliger Chef des National Cyber Security Centre, eine Untersuchung des Vorfalls leiten. Die Financial Conduct Authority geht offenbar nicht von Faulspiel aus, wie die „Financial Times“ unter Berufung auf Kreise berichtet. Es sei wohl „ein Unfall“ gewesen.
Durchstechereien auf Rekordniveau
Nusrat Ghani, die stellvertretende Sprecherin des Unterhauses, bemängelte, dass Durchstechereien zur Fiskalpolitik und den öffentlichen Finanzen ein nie dagewesenes Ausmaß erreicht hätten. Das werde den Standards nicht gerecht, die das Parlament erwarte.
Viele Journalisten und Trader dürften den Trick kennen, durch den das OBR-Papier vermutlich ans Licht kam: Man trägt in den Link des vorangegangenen Berichts einfach das neue Datum ein und prüft, ob schon etwas hinterlegt ist. Die OBR-Links sind simpel, schlaue Institutionen machen es einem nicht so leicht.
