Reeves macht private Altersvorsorge unattraktiver
Reeves macht private Altersvorsorge unattraktiver
Reeves macht private Altersvorsorge unattraktiver
Drastische Steuererhöhungen für alle finanzieren soziale Wohltaten für wenige
Von Andreas Hippin, London
Die britische Schatzkanzlerin Rachel Reeves schreibt die kalte Progression bis 2031 fort. Während sie die private Altersvorsorge mit zusätzlichen Abgaben belegt, gibt es künftig auch für mehr als zwei Sprösslinge Kindergeld. Eine Reihe von Steuererhöhungen vergrößern ihren Spielraum. Der Bondmarkt hält deshalb still.
Die britische Schatzkanzlerin Rachel Reeves hat im Bestreben, das schwarze Loch in der Staatskasse zu stopfen, die private Altersvorsorge ins Visier genommen. Bislang wurden britische Arbeitnehmer durch Steuervorteile ermutigt, durch Entgeltumwandlung fürs Alter vorzusorgen. Reeves will Einzahlungen von mehr als 2.000 Pfund im Jahr mit Sozialversicherungsabgaben belegen. Das soll 4,7 Mrd. Pfund einspielen.
Das ist nicht nur kontraintuitiv, wenn man sich an die nicht auf Großbritannien beschränkte Diskussion darüber erinnert, ob die staatliche Rente für ein würdevolles Leben im Alter ausreichend ist. Es bringt auch erheblichen Mehraufwand für Arbeitgeber mit sich, die solche Altersvorsorgepläne bezuschussen.
Zusätzliche Kosten für Arbeitgeber
Helen Morrissey, die das Thema bei Hargreaves Lansdown verantwortet, geht von zusätzlichen Kosten von 75 Pfund pro Jahr für Mitarbeiter mit einem Gehalt von 50.000 Pfund aus. Für Mitarbeiter, die 100.000 Pfund verdienen, seien es 450 Pfund mehr.
Noch vor der von Zwischenrufen begleiteten Rede der Schatzkanzlerin, in der sie den konservativen Vorgängerregierungen, dem Brexit und der Pandemie die Schuld an der Misere gab, gelangte der Bericht der unabhängigen Haushaltshüter des Office for Budget Responsibility (OBR) an die Medien. Er gibt einen Überblick über die geplanten Maßnahmen und ist in hohem Maße marktrelevant. Damit war klar, dass den Briten Steuererhöhungen von 26 Mrd. Pfund ins Haus stehen.
Kalte Progression fortgeschrieben
Einen wesentlichen Teil davon macht die Fortschreibung der kalten Progression bis 2031 aus. Indem Reeeves die Obergrenzen für die Einkommenssteuersätze trotz der erheblichen Inflation der vergangenen Jahre nicht anhebt, kann sie zusätzliche Einnahmen von 8,3 Mrd. Pfund ansetzen. Denn viele Steuerzahler, deren Einkommen mit dem Preisauftrieb Schritt hielt, rutschen über diese Schwellen. Am stärksten betroffen sind davon nicht die Bezieher hoher Einkommen, sondern abhängig Beschäftigte, die um die 50.000 Pfund pro Jahr verdienen.
Die Besteuerung von Einkommen aus Immobilien, Zinsen und Dividenden erhöht Reeves um zwei Prozentpunkte. Konnte man bislang 20.000 Pfund jährlich in einem steuerbegünstigten Sparplan zur Seite legen, sollen es künftig nur noch 12.000 Pfund sein. Wohnimmobilien werden ab einem Wert von 2 Mill. Pfund mit einer zusätzlichen Abgabe belegt.
Kindergeld für mehr Kinder
Nusrat Ghani, die stellvertretende Sprecherin des Unterhauses, bemängelte, dass Durchstechereien zur Fiskalpolitik und den öffentlichen Finanzen ein nie dagewesenes Hoch erreicht hätten. Das entspreche nicht den Standards, die das Parlament erwarte. Vor dem Unterhaus wurden unterdessen Bauern festgenommen, die gegen erwartete Änderungen an der Erbschaftssteuer protestierten.
Reeves kündigte an, künftig auch für mehr als zwei Kinder Kindergeld zu zahlen. Ein konservativer Amtsvorgänger, George Osborne, hatte diese Obergrenze einst eingeführt. Die Ausgaben für solche Sozialleistungen sind allerdings nicht die größten Belastungen des Haushalts. Denn sieht man sich einmal an, wofür Reeves das Geld der Steuerzahler ausgibt, steht das marode öffentliche Gesundheitswesen NHS an erster Stelle. Seine Leistungen haben sich allen anderslautenden Versprechungen zum Trotz nicht verbessert. Die Wartelisten sind nicht kürzer geworden, obwohl Labour wesentlich mehr in den National Health Service steckt als die konservativen Vorgängerregierungen.
Ernsthafte Reformen bleiben aus
Der zweite große Posten besteht aus der staatlichen Rente und anderen Sozialleistungen für ältere Menschen. Beide Themen wurden bereits von den Tories vermieden, auch Labour dürfte vor ernsthaften Reformen zurückschrecken.
Das größte Problem von Labour? Der Regierung von Premierminister Keir Starmer wird in der Wirtschaft nicht mehr viel Vertrauen entgegengebracht. Auf der Jahreskonferenz der Confederation of British Industry (CBI) Anfang der Woche nahmen Teilnehmer kein Blatt vor dem Mund. Sie äußerten vor laufenden Kameras nicht nur Resignation, sondern auch Wut – für sonst eher ruhig und gefasst auftretende Manager ein ungewöhnliches Verhalten. Die angekündigte Straßenverkehrsabgabe für Batterieautos und Hybridfahrzeuge dürfte die Autobranche verärgern.
„Fragile Regierung“
„Ich glaube nicht, dass sie irgendetwas Positives für die Wirtschaft getan haben“, sagte ein führender Londoner Investmentbanker einer globalen Bank vor der Vorlage des Haushalts. „Das ist eine fragile Regierung, die kein Geld hat. Aber ich verstehe auch, dass so etwas Zeit braucht und dass sie in ihrem Handeln durch die fiskalische Position, in der wir uns befinden, eingeschränkt wird.“
Am Bondmarkt kehre Ruhe ein. Denn Reeves' finanzieller Spielraum erhöht sich durch die Maßnahmen.
