Der Druck auf Rachel Reeves nimmt zu
Der Druck auf Rachel Reeves nimmt zu
Rachel Reeves unter Druck
Unabhängige Haushaltshüter bewerten Zustand der öffentlichen Finanzen
hip London
Die britische Schatzkanzlerin Rachel Reeves muss fürchten, dass eine ungünstige Prognose zur Produktivitätsentwicklung zu einem noch größeren Finanzierungsbedarf führt. Am Freitag übergaben ihr die unabhängigen Haushaltshüter des Office for Budget Responsibility (OBR) ihre erste Bewertung des Zustands der britischen Wirtschaft und der öffentlichen Finanzen. Das ist Teil der Vorbereitungen auf ihren Haushaltsentwurf, der am 26. November dem Unterhaus vorgestellt wird.
Allgemein wird mit einer Senkung der Prognose zur Produktivitätsentwicklung gerechnet. Von der „Financial Times“ zitierte Labour-Funktionäre fürchten, dass sich dadurch das Loch in der Staatskasse um bis zu 18 Mrd. Pfund ausweiten könnte. Dafür spricht, dass der nicht gerade für eine hohe Produktivität bekannte öffentliche Sektor weiter wächst.
KI, Energie und Automatisierung im Fokus
Doch es gibt auch Faktoren, die künftig eine höhere Produktivität ermöglichen könnten, wie Simon French, Chefvolkswirt der Investmentbank Panmure Gordon, herausstreicht. Zum einen gebe es bereits Belege für Produktivitätsgewinne durch den Einsatz von generativer künstlicher Intelligenz. Ihm falle auf, wie wenig die offiziellen Prognostiker unternähmen, um die transformativen Auswirkungen dieser Technologie in Vorhersagen zum künftigen Produktivitätswachstum einzuarbeiten, bemängelte French.
Zum anderen dürfe sich die Belastung der Produktivität durch eine verfehlte Energiepolitik nicht wiederholen, die Großbritannien zu dem Land mit dem höchsten Strompreisen in der entwickelten Welt gemacht habe. French rechnet mit Besserung. Die heimische Produktion werde steigen. Und der durch die Alterung der Bevölkerung und den Wunsch nach weniger Zuwanderung bedingte Arbeitskräftemangel werde zu mehr Automatisierung und Investitionen in Robotik führen.
Bremsklotz für Labour-Regierungen
Reeves wird dem OBR nun geplante Maßnahmen wie zum Beispiel Steuersenkungen mitteilen. Die Haushaltshüter arbeiten diese dann in ihre Prognose mit ein. Auf diese Weise soll sich ein möglichst klares Bild ergeben.
Der konservative Schatzkanzler George Osborne hatte das OBR in der Absicht eingerichtet, künftigen Labour-Regierungen das Geldausgeben zu erschweren. Ironischerweise machte es danach seinen konservativen Nachfolgern zu schaffen. Liz Truss' Schatzkanzler Kwasi Kwarteng scheiterte nicht zuletzt deshalb, weil er seinen Haushalt nicht als solchen behandelt wissen wollte und das OBR umging.
Weniger ist nicht mehr
Nun will Reeves den Haushaltshütern die Flügel stutzen. Sie sollen sich künftig nicht mehr zweimal, sondern nur noch einmal pro Jahr äußern. Das ginge mit den Bemühungen von Labour einher, einen Haushalt vorzulegen, der nach sechs Monaten nicht in großem Umfang nachgebessert werden muss. David Aikman, Direktor am Nationalen Institut für Wirtschafts- und Sozialforschung (NIESR), hält es für keine gute Idee, das OBR auf diese Weise einzuhegen.
„Vielleicht sind ärztliche Vorsorgeuntersuchungen ein nützlicher Vergleich“, schrieb er in einem Blogeintrag. „Von zweien auf eine pro Jahr umzusteigen fühlt sich vielleicht weniger belastend an. Aber die zugrunde liegenden Gesundheitsrisiken verschwinden dadurch nicht.“ Wenn es nur noch eine Prognose jährlich gebe, stünden weniger öffentliche Informationen zur Verfügung. Analysten, Ratingagenturen und der Bondmarkt würden dagegen weiter eigene Schätzungen produzieren, was sich in den Kosten der Kreditaufnahme spiegeln dürfte.
Abnehmende Transparenz
Zudem könnten Anleger das als einen Schritt weg von Transparenz und Haushaltsdisziplin empfinden – „gerade dann, wenn Glaubwürdigkeit am meisten zählt“, schrieb Aikman.