Britische Neuverschuldung explodiert
Britische Neuverschuldung explodiert
Höchster Wert seit Beginn der Erhebungen außer im Pandemiejahr 2020
hip London
Die öffentliche Neuverschuldung ist in Großbritannien im August um 18 Mrd. Pfund gestiegen. Das ist im Vergleich zur Schätzung der unabhängigen Haushaltshüter des Office for Budget Responsibility (OBR) fast die Hälfte mehr. Sie hatten im März lediglich 12,5 Mrd. Pfund angesetzt.
Steuererhöhungen nahezu unvermeidlich
Für Schatzkanzlerin Rachel Reeves bedeutet das, dass weitere Steuererhöhungen nahezu unvermeidlich sind, wenn sie am 26. November ihren Haushalt vorlegt. Im vergangenen Jahr hatte sie die Briten bereits mit Steuererhöhungen im Volumen von 40 Mrd. Pfund belegt. Das weckte Erinnerungen an das Budget von John Majors Schatzkanzler Norman Lamont, dem es 1993 um eine Stabilisierung der Lage ging, nachdem Großbritannien das Europäische Währungssystem verlassen hatte.
Stabilisierung bleibt aus
Doch für Reeves stabilisiert sich die Lage nicht: In den ersten fünf Monaten des im April angelaufenen Fiskaljahres belief sich die Neuverschuldung auf 83,8 Mrd. Pfund. Außer im Pandemiejahr 2020 war sie seit Beginn der Erhebungen im Jahr 1993 nie so hoch. Das OBR hatte lediglich 72,4 Mrd. Pfund auf der Rechnung.
Wie das Statistikamt ONS mitteilt, wurden die Ausgaben der Regierung durch Lohnerhöhungen im öffentlichen Dienst, den Inflationsausgleich für Bezieher von Transfereinkommen sowie höhere Kosten für den Schuldendienst nach oben getrieben.
Längere Ungewissheit
Der späte Termin für die Haushaltsvorlage sorgt dafür, dass eine längere Zeit der Ungewissheit Geschäfts- und Konsumklima belastet. Das Verbrauchervertrauen ist auf den tiefsten Stand in drei Monaten abgerutscht. Neil Bellamy, Consumer Insights Director beim Marktforscher GfK, spricht von „herbstlicher Kälte“. Die Leitzinssenkung der Bank of England im August habe offenbar keinen großen Beitrag dazu geleistet, die die Stimmung der Verbraucher aufzuhellen.
Mit Blick auf die künftige gesamtwirtschaftliche Entwicklung hat sich die Stimmung dramatisch verschlechtert. Stand der diesbezügliche Index im Juni 2024 – einen Monat vor Antritt der amtierenden Labour-Regierung – noch bei minus 11, notiert er nun bei minus 32. „Angesichts der mit dem Haushalt im November erwarteten Steuererhöhungen besteht das Risiko, dass das Verbrauchervertrauen unvermeidlich fällt, wie die Blätter im Herbst“, sagt Bellamy.
Einzelhandelsumsatz steigt
Noch schlägt sich der britische Einzelhandel vergleichsweise gut. Den jüngsten ONS-Daten zufolge stieg sein Umsatz im August den zweiten Monat in Folge um 0,5%. Zu den Gewinnern gehörten Textilgeschäfte, Metzgereien und Bäckereien. Einige Unternehmen schrieben die gute Geschäftsentwicklung dem guten Wetter zu. Großbritannien erlebte einen warmen und trockenen Sommer. Zu den Faktoren, die auf die Nachfrage drücken, zählt auch, dass die Teuerungsrate auf 3,8% gestiegen ist. Die Bank of England geht davon aus, dass sie im September noch höher liegen wird. Das wirft einen Schatten auf die drei Monate danach, in denen viele Einzelhändler jedes Jahr den Großteil ihres Umsatzes erwirtschaften.