EU-Wachstumsprognose sinkt erneut

Macron fordert mehr Investitionen und stößt Debatte um Defizitziele an

EU-Wachstumsprognose sinkt erneut

ahe Brüssel – Die Wachstumsaussichten in Europa trüben sich immer weiter ein. Die EU-Kommission schraubte ihre Prognosen erneut etwas zurück und rechnet für das laufende Jahr im Euroraum nur noch mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 1,1 % und im nächsten Jahr um 1,2 %. Im Juli hatte die Brüsseler Behörde noch ein Plus von 1,2 % beziehungsweise 1,4 % angekündigt. Für die gesamte EU rechnet die EU-Kommission nun mit einem Wachstum für 2019 und 2020 von jeweils 1,4 %. Im Sommer lag die Prognose noch bei 1,6 %. Und im Frühjahr hatten die Erwartungen zum Teil noch höher gelegen.EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici sprach bei der Präsentation der Herbstprognose in Brüssel von “einer Phase großer Unsicherheit”. Dazu trügen die ungelösten Zollkonflikte und der Brexit bei. Die EU bereitet sich nach Worten von Moscovici zwar nicht auf ein Rezessionsszenario vor. Doch sei die Wirtschaft in einer “Plateau-Phase” angelangt. “Nach sechs Jahren robusten Wachstums haben wir jetzt ein gemäßigtes Wachstum, das bezeichnend sein wird für die nächste Zeit”, erläuterte er.Auch für Deutschland zeigte sich die EU-Kommission noch pessimistischer als im Juli. 2019 ist demnach nur noch mit einem Wachstum von 0,4 (bisher: 0,5) % zu rechnen und 2020 von 1,0 (bisher: 1,4) % des BIP, was aber vor allem an mehr Arbeitstagen liegt. Deutschland ist damit nach Italien das wachstumsschwächste Land der Eurozone.EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis, der im Gegensatz zu Moscovici auch der neuen EU-Kommission angehören wird, rief alle Mitgliedstaaten mit hohem öffentlichen Schuldenstand dringend dazu auf, die vorsichtige Finanzpolitik fortzusetzen und die Schuldenstände kontinuierlich abzubauen. Demgegenüber sollten Mitgliedstaaten mit haushaltspolitischem Spielraum diesen auch nutzen. Kritik am SparverhaltenFrankreichs Präsident Emmanuel Macron widersprach Dombrovskis in Bezug auf das Thema Haushaltsdisziplin. Angesichts des verschärften Wettbewerbs mit den USA und China sprach er sich dafür aus, sich mehr auf Wirtschaftswachstum und weniger auf Etatdefizite zu konzentrieren. Die Debatte über das 3-Prozent-Defizitziel im EU-Vertrag gehöre “einem anderen Jahrhundert” an, sagte Macron dem Magazin “The Economist”. Europa sei durch Investitionszurückhaltung im Bereich von Zukunftstechnologien wie künstliche Intelligenz im Wettbewerb mit den USA und China schon weit zurückgefallen. Zugleich sei Europa einer der Kontinente, wo aus volkswirtschaftlicher Sicht am meisten gespart werde. Ein Großteil der Gelder werde allerdings in US-Staatsanleihen angelegt: “Mit unseren Ersparnissen bezahlen wir also die Zukunft der Vereinigten Staaten, und wir schwächen uns selbst. Das ist absurd.”Laut Herbstprognose der EU-Kommission steigt das durchschnittliche Haushaltsdefizit in der Eurozone, das 2018 im Schnitt schon auf 0,5 % des BIP zurückgegangen war, in diesem Jahr wieder auf durchschnittlich 0,8 % und in den nächsten zwei Jahren auf 1,0 % an. Innerhalb der Eurozone verzeichnet Frankreich 2019 mit 3,1 % des BIP das höchste Haushaltsdefizit. Dieses soll in den nächsten zwei Jahren wieder auf je 2,2 % sinken. Außerhalb der Eurozone macht Rumänien zurzeit Probleme: Das Defizit beträgt 2019 schon 3,6 % und klettert bis 2021 dann auf unglaubliche 6,1 % des BIP.