Geldpolitik

Euro-Inflationsdaten heizen EZB-Zinsdebatte an

"Unsinnig und gefährlich": Italiens Vize-Regierungschef Matteo Salvini hat diese Woche scharfe Kritik am Zinserhöhungskurs der EZB geäußert. Am Freitag befeuerten neue Inflationszahlen die Debatte über weitere Zinsanhebungen.

Euro-Inflationsdaten heizen EZB-Zinsdebatte an

Euro-Inflationsdaten heizen EZB-Zinsdebatte an

Teuerung gibt im Juni erneut deutlich nach – Viel beachtete Kernrate steigt leicht an – Zinsprognosen gehen weit auseinander

„Unsinnig und gefährlich“: Italiens Vize-Regierungschef Matteo Salvini hat diese Woche scharfe Kritik am Zinserhöhungskurs der EZB geäußert. Am Freitag befeuerten nun neue Inflationszahlen die Debatte über weitere Zinsschritte. Die Teuerung gibt weiter nach, aber der zugrunde liegende Preisdruck bleibt hoch.

ms Frankfurt

Kommentar Seite 2

Die neuen Zahlen zur Inflation im Euroraum im Juni haben die Debatte über den künftigen Zinskurs der Europäischen Zentralbank (EZB) weiter befeuert. Die Inflationsrate gab erneut spürbar von 6,1% auf 5,5% nach – was tendenziell jene stärkt, die auf ein baldiges Ende des aktuellen Zinserhöhungszyklus spekulieren und dringen. Die für Juli avisierte weitere Zinsanhebung könnte demnach die letzte sein. Zugleich zog die Kerninflation (ohne Energie und Lebensmittel) sogar wieder leicht an von 5,3% auf 5,4% – was neben dem generell hohen Inflationsniveau aus Sicht vieler Ökonomen und einiger Notenbanker dafür spricht, die Leitzinsen noch weiter spürbar anzuheben. Einzelne Marktakteure spekulieren nun, dass die EZB ihre Zinsen bis Jahresende bei jeder Sitzung anhebt.

Angesichts der zeitweise bis auf 10,6% hochgeschnellten Inflation im Euroraum hat die EZB seit Juli 2022 ihre Leitzinsen um insgesamt 400 Basispunkte erhöht – so aggressiv wie nie seit der Einführung des Euro 1999. Da die Inflation inzwischen deutlich zurückgegangen ist und die Euro-Wirtschaft im Winterhalbjahr in eine technische Rezession gerutscht ist, nimmt aber die Debatte zu, wie weit die EZB noch gehen soll oder ob sie bereits überzieht und die Wirtschaft unnötig stark abwürgt. Auch im EZB-Rat gehen die Ansichten auseinander. Umstritten sind insbesondere Zinsschritte über den avisierten Juli-Schritt hinaus (vgl. BZ vom 17. Juni).

Am Freitag nun veröffentliche die Eurostat die mit Spannung erwarteten Inflationsdaten für Juni. Der Rückgang bei der Gesamtteuerung fiel sogar etwas stärker aus als erwartet. Volkswirte hatten im Schnitt 5,6% prognostiziert. Hinter dem Rückgang stehen insbesondere die Energiepreise. Diese gingen im Juni binnen Jahresfrist kräftig um 5,6% zurück. Die Preise für Lebensmittel, Alkohol und Tabak zogen dagegen um 11,7% an, nach einem Plus von 12,5% im Mai. Industriegüter ohne Energie verteuerten sich um 5,5% nach zuvor 5,8%. Die Preise für Dienstleistungen erhöhten sich um 5,4%, nach 5,0% im Mai. „Die Teuerung verliert weiter an Kraft“, kommentierte KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib.

Commerzbank-Volkswirt Christoph Weil glaubt, dass der Juli-Schritt womöglich vorerst der letzte sein wird. „Anders als der Markt gehen wir davon aus, dass die EZB nach der quasi angekündigten Leitzinsanhebung im Juli um 25 Basispunkte die Zinsen nicht weiter erhöhen wird.“ An den Börsen wurde zuletzt erwartet, dass der Zinsgipfel dieses Jahr bei einem Einlagensatz von 4,0% erreicht wird. Derzeit liegt der Satz bei 3,5%; der Markt setzt also noch auf einen Schritt im September.

Große Inflationsunterschiede

Als großes Problem gilt nicht zuletzt die Kernrate, die als besserer Gradmesser für den Inflationstrend in einer Volkswirtschaft gilt und deshalb aktuell auch im besonderen Fokus der EZB steht. Eine ganze Reihe Notenbanker hat in der Vergangenheit erklärt, dass ohne eine klare Trendwende bei der Kernrate kein Ende der Zinserhöhungen infrage komme. Der Anstieg im Juni ist zwar einem deutschen Sondereffekt aufgrund der Einführung des 9-Euro-Tickets und des Tankrabatts im Vorjahr zuzuschreiben. Dennoch dürfte er vielen Notenbankern nicht schmecken. Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, hält es nun für möglich, dass die EZB nicht nur im September, sondern auch bei den zwei folgenden Zinssitzungen in diesem Jahr im Oktober und Dezember die Sätze erneut anhebt.

Erschwert wird die Debatte über weitere Zinserhöhungen auch dadurch, dass es große Inflationsunterschiede zwischen den Euro-Ländern gibt. In Spanien ist sie im Juni sogar von 2,9% auf 1,6% zurückgegangen und damit erstmals seit März 2021 unter die EZB-Zielmarke von 2% gesunken. Dagegen liegt die Inflationsrate in der Slowakei bei 11,3% – der Spitzenwert. Hinzu kommt für die EZB, dass der politische Gegenwind schärfer wird. Vor allem aus Italien gibt es schwere Attacken gegen den Zinskurs. Italiens Vize-Regierungschef Matteo Salvini nannte die EZB-Politik diese Woche „unnsinnig und gefährlich“ (vgl. BZ vom 28. Juni).

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