KommentarVerbraucherpreise

Das Euro-Inflationsproblem ist nicht nur deutsch

In Sachen Inflation nimmt Deutschland aktuell teilweise eine Sonderrolle im Euroraum ein. Aber es wäre falsch zu behaupten, dass die EZB nur wegen Deutschland weiter die Leitzinsen erhöhen muss/wird – und sogar gefährlich, entsprechende Stimmung zu erzeugen.

Das Euro-Inflationsproblem ist nicht nur deutsch

Eurozone

Inflation nicht
nur deutsch

Von Mark Schrörs

Hat die Europäische Zentralbank (EZB) ein deutsches (Inflations-)Problem? Ja und nein. Deutschland nimmt aktuell in Sachen Teuerung teilweise sehr wohl eine Sonderrolle ein. Aber es wäre falsch zu behaupten, dass die EZB nur wegen Deutschland weiter die Leitzinsen erhöhen muss/wird – und sogar gefährlich, entsprechende Stimmung zu erzeugen.

Ja, anders als in den drei anderen großen Volkswirtschaften Frankreich, Italien und Spanien ist die Inflation in Deutschland im Juni nicht weiter deutlich zurückgegangen, sondern hat sogar spürbar von 6,4% auf 6,8% (HVPI) angezogen – vor allem, weil sich der im Jahr 2022 inflationssenkende Effekt von 9-Euro-Ticket und Tankrabatt nun ins Gegenteil verkehrt. Und ja, da Deutschland die größte Volkswirtschaft ist, hält das auch euroweit die Inflation höher, als es sonst der Fall wäre – auch wenn der Effekt mit 20 Basispunkten arg überschaubar sein dürfte. Und ja, in Deutschland scheint die Rückkehr zum 2-Prozent-Ziel langwieriger. Während die EZB für Euroland für 2025 im Schnitt eine Teuerung von 2,2% prognostiziert, sieht die Bundesbank die Teuerung in Deutschland dann bei 2,7%.

Aber nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich und Italien liegt die Inflation aktuell mit 5,3% sowie 6,7% nach wie vor sehr weit oberhalb der 2%. Spanien ist mit 1,6% und dem Unterschreiten der EZB-Zielmarke eher die Ausnahme statt die Regel. Viel wichtiger aber noch: Der zugrunde liegende Preisdruck, ein besserer Indikator für den Inflationstrend, ist nahezu überall weiter viel zu hoch. Selbst in Spanien lag die Kernrate (ohne Energie und Lebensmittel) in nationaler Rechnung im Juni bei 5,9%. Wenn die derzeit vorteilhaften Basiseffekte bei den Energiepreisen enden und die Interventionen der Regierung in Madrid auslaufen, dürfte es auch in Spanien wieder über die 2-Prozent-Marke gehen. Von Entwarnung kann also auch da beileibe keine Rede sein. Je länger aber die Kernrate derart hoch ist, desto größer ist die Gefahr, dass die Inflationserwartungen außer Kontrolle geraten und es doch noch zur Lohn-Preis-Spirale kommt.

Die EZB kann also aktuell gar nicht anders, als die Leitzinsen zumindest noch ein wenig weiter anzuheben und vor allem klarzumachen, dass nach dem Erreichen des Zinsgipfels das Zinsniveau ausreichend lange hochgehalten wird. Wer das Inflationsproblem in Euroland als rein deutsch abtut, führt in die Irre und sät potenziell nur Zwist in der Währungsgemeinschaft – wo es derzeit doch größte Einigkeit braucht, um das „gierige Biest“ Inflation (Zitat Bundesbankpräsident Joachim Nagel) wirklich zu besiegen.

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