Euro-Notenbanker ringen um EZB-Mandat

Villeroy de Galhau: Preisstabilität nicht das einzige Ziel - Weidmann warnt vor Überforderung

Euro-Notenbanker ringen um EZB-Mandat

ms Frankfurt – Die erste grundlegende Überprüfung der EZB-Strategie seit dem Jahr 2003 führt zunehmend auch zu einem Ringen der Euro-Notenbanker um das EZB-Mandat. Dabei geht es zwar nicht darum, das im EU-Vertrag festgelegte Mandat zu ändern – was tatsächlich nur die Politik tun könnte. Es geht aber um die Interpretation des bestehenden Mandats – mit möglicherweise weitreichenden Konsequenzen sowohl für den geldpolitischen Kurs wie auch die EZB als Institution.Bei der ECB Watchers Conference untermauerte Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau gestern frühere Aussagen, dass Preisstabilität zwar das vorrangige Mandat der EZB sei, es sich aber nicht um ein reines einzelnes Mandat handele. Vielmehr habe die EZB eine Art “zweistufiges Mandat”. Die EZB solle auch die Wirtschaftspolitik unterstützen und damit Ziele wie Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt, solange das die Preisstabilität nicht beeinträchtige. Das hatte er schon Ende vergangener Woche betont (vgl. BZ vom 26. September). Er hob gestern zudem erneut hervor, dass die EZB auch beim Klimawandel eine wichtige Rolle zu spielen habe.Dagegen warnte Bundesbankpräsident Jens Weidmann, die EZB müsse sich sehr genau überlegen, wie sie ihr Mandat interpretiere. “Dem Eurosystem wurde Unabhängigkeit gewährt, um sein vorrangiges Ziel zu erreichen. Je weiter wir unser Mandat auslegen, desto größer ist die Gefahr, dass wir uns in die Politik verstricken und uns mit zu vielen Aufgaben überfordern”, sagte er bei der ECB Watchers Conference. “Infolgedessen könnte unsere Unabhängigkeit in Frage gestellt werden, und das zu Recht.” Weidmann sieht etwa eine explizite “grüne” Geldpolitik nach wie vor kritisch.Je nachdem, wie eng oder weit das EZB-Mandat ausgelegt wird, kann das weitreichende Implikationen für den kurz- sowie für den mittel- und langfristigen geldpolitischen Kurs haben. So dürfte ein stärkerer Fokus auf Wachstum und Beschäftigung – zumal in Zusammenspiel mit einem flexibleren Inflationsziel (siehe Text oben auf dieser Seite) – dazu führen, dass die beispiellos expansive EZB-Geldpolitik noch für längere Zeit als aktuell ohnehin angenommen beibehalten wird oder gar die Möglichkeit einer weiteren Lockerung noch zunimmt. Nicht zuletzt deshalb fordern das viele Beobachter. Kritiker dagegen sorgen sich vor allem um die Unabhängigkeit der EZB.Meinungsverschiedenheiten gibt es auch mit Blick auf die Instrumente, die die EZB einsetzen sollte. Das gilt insbesondere für breite Staatsanleihenkäufe. Wie bei früheren Gelegenheiten sagte Weidmann gestern, dass solche Käufe zwar “ein legitimes und effektives Instrument” sein könnten. Sie verwischten aber die Grenzen zwischen der Fiskal- und Geldpolitik, was insbesondere in der Eurozone ein Problem sei. Deswegen sieht er sie nur als reine Notfalloption. Andere EZB-Granden dagegen betrachten breite Anleihekäufe längst als reguläres Instrument der EZB.Auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde sagte gestern bei der ECB Watchers Conference, dass die unkonventionelle Geldpolitik womöglich die neue Normalität sein könnte. Es brauche deshalb auch in der EZB einen “klaren Konsens”, welche Instrumente verfügbar seien und wann sie genutzt würden. Lagarde sagte zudem, dass die Interaktion von Fiskal- und Geldpolitik enger werde, wenn die EZB zunehmend über ihre Bilanz Geldpolitik betreibe. Im aktuellen Umfeld seien die Ziele gleichgerichtet. Das könne sich aber in der Zukunft auch wieder ändern.