WIRTSCHAFT IM BANN DES CORONAVIRUS

Europas Aufsicht greift Banken unter die Arme

Die EZB lockert ihre Kapital- und Liquiditätsvorgaben

Europas Aufsicht greift Banken unter die Arme

bn Frankfurt – Europas Bankenaufsicht und die EU-Regulierungsbehörde European Banking Authority (EBA) greifen der Kreditwirtschaft in der Coronakrise mit einem Bündel von Maßnahmen unter die Arme: Die Europäische Zentralbank (EZB) erlaubt den Instituten die Auflösung von Kapital- und Liquiditätspuffern, lockert ihre Anforderungen an die Zusammensetzung des Kernkapitals und signalisiert zudem bei der Umsetzung aufsichtlicher Maßnahmen Entgegenkommen. Zudem blasen EBA und EZB den für das laufende Jahr geplanten Stresstest europäischer Großbanken ab und verschieben ihn auf 2021. Bankenverbände begrüßten die Entscheidungen unisono.Die Maßnahmen sind das Resultat einer mehrstündigen und unerwartet langen Telefonkonferenz der Mitglieder im Supervisory Board der europäischen Bankenaufsicht zur Wochenmitte. “Das Coronavirus stellt sich als signifikanter Schock für unsere Ökonomien heraus”, teilte Chair Andrea Enria am Donnerstag mit. Banken müssten in der Lage sein, in Schwierigkeiten steckende Privathaushalte und Unternehmen weiter zu finanzieren. Manche Forderung verhalltMit dem Paket kommen EZB und EBA jüngsten Forderungen aus der Bankenbranche entgegen, wenn auch nicht in vollem Umfang. So hatten vor allem Italiens Banken auch verlangt, aufsichtliche Vorgaben zum Umgang mit notleidenden Krediten flexibler zu handhaben. Die EZB hingegen verweist darauf, dass die erst im vergangenen Jahr in Kraft getretenen Regeln ausreichenden Spielraum eröffneten, um bankspezifischen Umständen Rechnung zu tragen. So hält das Regelwerk fest, dem “aktuellen und künftigen operativen Umfeld” komme eine fundamentale Rolle bei der Entwicklung einer Strategie zur Reduktion des Bestands an faulen Forderungen und entsprechenden Abbauzielen zu. Standhaft haben sich die Aufseher zudem gegenüber Forderungen deutscher Banken nach einer Aufweichung der bilanziellen Regeln zur Bildung von Risikovorsorge nach IFRS 9 gezeigt, womöglich, um sich Möglichkeiten für den Fall einer deutlichen Verschärfung der Krise offenzuhalten.Belastungen durch die Coronakrise sind im Bankensektor derzeit zwar noch nicht zu spüren, wie am Donnerstag aus dem Vorstand eines größeren Institutes zu hören war. Die Folgen der Krise würden aber unweigerlich einsetzen, hieß es. Ganz oben auf der Agenda der Manager steht demnach die Sorge um die Liquidität gerade kleinerer Firmenkunden – “viele Unternehmen kommen jetzt ohne eigenes Verschulden in kürzester Zeit in Zahlungsschwierigkeiten”, prognostiziert etwa Baden-Württembergs Sparkassenpräsident Peter Schneider. Im Verlauf der Krise dürften sich auch Effekte im Privatkundengeschäft zeigen, hieß es mit Blick auf drohende Zahlungs- und Kreditausfälle. Den Emissionsmarkt hat das Virus bereits lahmgelegt, während es im Handel gleichwohl für Volatilität und hohe Volumina sorgt. Banken dürfen Latten reißenKonkret gestatten die Aufseher der EZB den 117 unter ihrer direkten Aufsicht stehenden Instituten in Euroland, vorübergehend Latten zu reißen, welche die “Pillar 2 Guidance” genannte individuelle Kapitalempfehlung der Aufsicht sowie die Bestimmungen zum Kapitalerhaltungspuffer für die Eigenmittel sowie die Liquidity Coverage Ratio (LCR) für die Liquidität vorsehen. Die beiden Kapitalpuffer sind eigens dazu konzipiert, im Krisenfall aufgelöst werden zu können. Die LCR bestimmt verbindlich, dass der Bestand an erstklassigen liquiden Aktiva einer Bank auf Sicht von 30 Tagen zumindest den Nettoabflüssen in dieser Frist entsprechen muss.Deutlich ins Gewicht fallen dürfte, dass die EZB es Banken darüber hinaus erlaubt, zur Erfüllung der aufsichtlichen individuellen Kapitalquote verstärkt zusätzliches Kern- oder auch Ergänzungskapital heranzuziehen. Damit zieht die Aufsicht eine Regelung vor, die im Zuge einer Überarbeitung der EU-Eigenkapitalrichtlinie erst im Januar kommenden Jahres in Kraft treten sollte. Früheren Berechnungen der Bankenaufsicht zufolge dürfte allein dieser Schritt die harte Kernkapitalquote europäischer Banken um durchschnittlich 90 Basispunkte reduzieren – 2018 mussten Europas Großbanken eine harte Kernkapitalquote von durchschnittlich 11,5 % erfüllen.Die nationalen Aufsichtsbehörden ruft die EZB überdies auf, den antizyklischen Kapitalpuffer “angemessen” zu lockern. Auch wollen die Aufseher Vor-Ort-Inspektionen von Banken verschieben und Fristen zur Umsetzung aufsichtlicher Maßnahmen ausdehnen. Ihre Schritte bezeichnet sie als temporär, eine Frist wird nicht genannt. An die Banken ergeht die Mahnung, den Effekt der Maßnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft einzusetzen und nicht dazu zu nutzen, Dividenden oder die Vergütung zu erhöhen.