EZB erhält sich ein wenig Spielraum

Draghi lehnt Konkretisierung des Zeitraums niedriger Zinsen ab - Keine konkreten Schwellen genannt

EZB erhält sich ein wenig Spielraum

Die Europäische Zentralbank (EZB) wandelt auf den Spuren der Fed. Erstmals legte sie sich in Sachen Leitzinsen für die Zukunft fest und übernahm damit die Strategie der “Forward Guidance”. Konkrete Vorgaben zum Zeitraum lehnte sie aber ab.ms Frankfurt – Die Europäische Zentralbank (EZB) hat sich festgelegt, dass ihre Leitzinsen noch “für einen längeren Zeitraum” extrem niedrig bleiben werden. EZB-Präsident Mario Draghi vermied gestern aber explizit jede Konkretisierung. “Längerer Zeitraum heißt längerer Zeitraum”, sagte er nach der EZB-Sitzung: “Es sind nicht sechs Monate, es sind nicht zwölf Monate – es ist ein längerer Zeitraum.”Erstmals in ihrer Geschichte hat sich die EZB gestern in Sachen Zinspolitik im Vorhinein festgelegt. Zuvor hatte sie stets wie ein Mantra betont, dass es eine Festlegung im Vorhinein niemals gebe. Der historische Schritt provozierte Spekulationen, wie lange die Zinsen auf dem derzeit rekordniedrigen Niveau oder gar noch niedriger bleiben werden. Draghi hatte die Option weiter sinkender Zinsen explizit offengelassen.Als die US-Notenbank Fed im März 2009 mit einer solchen “Forward Guidance” begonnen hatte, benutzte sie ebenfalls die Formulierung “längerer Zeitraum”. US-Notenbanker hatten in der Folge signalisiert, das bedeute, dass der Zins zumindest binnen sechs Monaten nicht erhöht werde.Draghi betonte, die Erwartung der EZB, dass die Zinsen dauerhaft niedrig bleiben, beruhe auf drei Faktoren: auf dem Ausblick, dass die Inflation im Euroraum auch mittelfristig gedämpft bleibt, auf der breit angelegten Schwäche der Realwirtschaft und auf der schwachen Geldmengen- und Kreditdynamik. Konkrete Grenzwerte, was diese Faktoren betrifft, nannte Draghi aber nicht. Die Fed hat inzwischen erklärt, dass eine Zinserhöhung so lange ausgeschlossen erscheint, wie die Arbeitslosigkeit über 6,5 % verharrt – solange die Inflation nicht über 2,5 % steigt.Die Entscheidung für eine solche “Forward Guidance” fiel im EZB-Rat gestern nach intensiver Debatte “einstimmig”, wie Draghi betonte. Das heißt, dass auch Bundesbankchef Jens Weidmann zustimmte, der als Verfechter einer Stabilitätskultur in der EZB gilt. Diskutiert worden war auch eine sofortige Leitzinssenkung.Draghi signalisierte, dass der historische Schritt eine Reaktion auf die jüngste Straffung der Geldmarkt- und Finanzmarktkonditionen weltweit und die damit verbundene Unsicherheit sei. Nach der Ankündigung der Fed, dass die umfangreichen Wertpapierkäufe im Laufe dieses Jahres zurückgefahren und 2014 beendet werden könnten, war es zu Turbulenzen an den Finanzmärkten gekommen, und auch im Euroraum waren etwa die Geldmarktsätze und Staatsanleiherenditen gestiegen. Das kommt de facto einer geldpolitischen Straffung gleich. Dagegen stemmt sich die EZB – auch wenn Draghi betonte, dass die Euro-Notenbanker nicht auf die Fed reagieren.Draghi sagte, jeder im EZB-Rat wisse um die Risiken lange niedriger Zinsen. Derzeit sei aber nicht zu erkennen, dass sich solche Risiken materialisierten.Mit Blick auf die Euro-Wirtschaft verwies Draghi zwar auf jüngste bessere Konjunkturdaten. Insgesamt klang er aber ein wenig skeptischer als Anfang Juni. In Sachen Inflation ließen einige Aussagen darauf schließen, dass sich der EZB-Rat zunehmend Sorgen um eine dauerhaft zu niedrige Teuerung macht.Entschieden stellte sich Draghi gegen Einschätzungen mancher Volkswirte, das Programm zum Ankauf von Staatsanleihen kriselnder, aber reformwilliger Euro-Länder (OMT, “Outright Monetary Transactions”), sei de facto tot, weil es etwa in Deutschland keine Zustimmung mehr geben werde für ein dafür nötiges ESM-Programm. “OMT ist ein genauso effektiver ,Backstop’ wie immer”, sagte Draghi. Die Euro-Staaten ermahnte die EZB, bei den Strukturreformen mehr zu tun und die Bankenunion schnell voranzutreiben.