EZB: Globalisierung dämpft Inflation

Notenbank verweist für Euroland aber auch auf schwache Binnenkonjunktur und negative Produktionslücke

EZB: Globalisierung dämpft Inflation

Die Globalisierung hat den Inflationsdruck zwar insgesamt vermindert, doch speziell im Euroraum seien es vor allem die schwache inländische Konjunktur und die negative Produktionslücke, welche für eine niedrige Teuerung sorgen, schreibt die EZB in einem Aufsatz aus ihrem Wirtschaftsbericht. Sie rechtfertigt damit auch die Fortsetzung ihrer Geldpolitik.jw Frankfurt – Eine Analyse der Europäischen Zentralbank (EZB) zeigt, dass die Inflationsraten von Industrie- und Schwellenländern seit den neunziger Jahren global gesehen immer mehr zusammenlaufen (siehe Grafik) und dabei sinken. Grund dafür seien besonders die Rohstoffpreise und die recht ähnliche Geldpolitik der Notenbanken weltweit. Die globalen Teuerungseinflüsse laufen demnach inzwischen aber nicht nur über Löhne und Rohstoffpreise, sondern auch über die handelbaren Güter selbst, schreibt die EZB.Seit den Neunzigern haben sich laut EZB die Notenbanken in Industrie- und Schwellenländern vermehrt dem Ziel der Preisstabilität gewidmet, was zu stabil verankerten Inflationserwartungen und weniger Preisschwankungen geführt hat. Dieser Erfolg führe nun dazu, dass die Inflation auch heute nicht mehr so recht anziehen mag, erklärt sich die EZB diese Entwicklung.Im Euroraum stellen die Autoren fest, dass die niedrige Inflation 2008 und 2009 zwar ebenfalls noch von globalen Faktoren beeinflusst wurde, dass sich deren Auswirkungen von 2012 bis 2015 jedoch verringert haben. In jüngster Zeit seien stattdessen lokale Faktoren immer wichtiger geworden, wie die Unterauslastung vieler Volkswirtschaften in der Eurozone. Besonders die niedrige Kernrate, die seit Mitte 2013 zwischen 0,6 % und 1,1 % liegt (ohne Energie- und Lebensmittelpreise) könne die niedrigen Inflationsraten erklären. Dies sei, schreibt die EZB, besonders mit der schwachen inländischen Konjunktur seit 2012 verknüpft. So habe sich beispielsweise der Unterschied zwischen der Produktionslücke (Differenz zwischen Produktionspotenzial und tatsächlicher Produktion) der Länder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der des Euroraums seit 2012 immer mehr ausgeweitet. Von 2012 bis 2016 hatte laut OECD-Berechnungen die Eurozone stets eine negativere Produktionslücke als der OECD-Raum – das heißt, die Produktionsfaktoren wurden nicht effizient genug genutzt und das Bruttoinlandsprodukt lag unterhalb seiner Wachstumsmöglichkeiten. Diese Beobachtung deckt sich mit dem Ruf der Notenbank nach mehr Strukturreformen in der Eurozone, welche die Produktionslücke schließen und die lockere Geldpolitik ergänzen sollen, damit die Inflation wieder anzieht. Rückkehr der PhillipskurveDie EZB merkt abermals an, dass der inländische Preisdruck in der Eurozone vor allem aus dem Lohn- und Preissetzungsverhalten resultiert. Auch die Unterauslastung am Arbeitsmarkt spiele nach wie vor eine große Rolle. Je höher die Unterauslastung, desto niedriger der Preisdruck – die Phillipskurve feierte laut EZB-Bericht in dem Zeitraum 2009 bis Anfang 2010 und 2012 bis Anfang 2015 im Euroraum eine Rückkehr. Allerdings bemängelt die EZB in ihrem Aufsatz, dass manche Globalisierungskanäle nicht im Phillips-Modell abgebildet seien. Globale Wertschöpfungsketten oder die Unterauslastung in anderen Ländern würden beispielsweise oft nicht genug in Analysen mit eingebunden, obwohl sie wichtige Faktoren für die lokale Inflationsrate darstellen könnten.Nicht eingegangen ist die EZB bei ihrer Analyse darauf, ob neben Rohstoffpreisen, Lohnentwicklung und Geldpolitik auch die Digitalisierung inflationsdämpfend wirkt. Fortschreitende Netzwerkeffekte, virtuelle Güter und der weitere technische Fortschritt in den Industriestaaten dürften nach Einschätzung von Beobachtern ebenfalls ein Grund für die niedrigere Inflation hierzulande sein, entziehen sich aber der Steuerung durch die Geldpolitik.