EZB spielt vorerst auf Zeit

Währungshüter betonen Handlungsbereitschaft, ohne konkret zu werden - Kein Risiko einer Deflation

EZB spielt vorerst auf Zeit

Lockert die EZB ihre Geldpolitik trotz des Endes der Rezession noch einmal oder nicht? Diese Frage treibt Investoren und Volkswirte um. Eine wirkliche Antwort gab es auch jetzt nicht.Von Mark Schrörs, FrankfurtDie Europäische Zentralbank (EZB) hält sich alle Optionen offen – aber spielt auf Zeit. Falls nötig, sei man bereit zu handeln und “alle verfügbaren Instrumente” zu erwägen, sagte EZB-Präsident Mario Draghi zwar am Mittwoch nach dem Treffen der Euro-Währungshüter in Paris und wiederholte mehrmals: Es gebe eine “ganze Schar an Instrumenten”. Viel konkreter wurde er aber – zur Enttäuschung mancher Investoren, Händler und Volkswirte – nicht.Von Seiten der Beobachter nimmt vor allem die Forderung zu, dass die EZB in Kürze ein neues langfristiges Refinanzierungsgeschäft (LTRO) auflegen sollte. Dahinter steckt die Sorge, dass der starke Rückgang der Überschussliquidität von einst etwa 800 Mrd. Euro auf zuletzt rund 220 Mrd. Euro die Geldmarktsätze wie Eonia treibt und die Finanzierungsbedingungen im Euroraum verschärft.Tatsächlich will auch die EZB nicht, dass die Sätze zu schnell und stark steigen. Aus ihrer Sicht ist die wirtschaftliche Erholung dafür noch zu “schwach”. Deswegen hat sie auch erklärt, dass ihre Leitzinsen wohl noch “für längere Zeit” auf dem aktuellen Rekordtief oder einem niedrigeren Niveau bleiben. Eine Aussage, die sie am Mittwoch bestätigte.Hinter dem Rückgang der Überschussliquidität steckt aber auch eine wieder größere Zuversicht der Banken, die frühere LTRO-Hilfen zurückzahlen, und die Geldmarktsätze steigen auch wegen der besseren Konjunkturdaten. Das sind für die EZB eher positive Signale.Hinzu kommt, dass ein neues LTRO auch Nebeneffekte hat – um die sie auch im Eurotower wissen. Die letzten LTRO haben viele Banken genutzt, um sich mit Euro-Staatsanleihen einzudecken. So nahm der unerwünschte Nexus zwischen Banken und Staaten sogar noch zu. Zudem kann es die nötige Bereinigung der Bankbilanzen hinauszögern. Mit Blick auf den geplanten Bilanz-TÜV will die EZB auch nicht, dass die Regierungen neue Liquiditätshilfen als Ersatz für nötige Kapitalspritzen ansehen. Liquidität ersetze Kapital nicht, sagte Draghi in Paris.Zugleich betonte er, dass die EZB “Liquiditätsunfälle verhindern” will. Soll heißen: An einem Mangel an Liquidität soll der Aufschwung nicht scheitern. Noch aber sieht die EZB offenbar keinen Handlungsbedarf. “In der Eurozone ist reichlich Liquidität vorhanden”, zitierte die Zeitung “Le Monde” gestern Frankreichs Notenbankchef Christian Noyer.Eine andere Option, um sich notfalls gegen schärfere Finanzierungsbedingungen zu stemmen, wäre eine Zinssenkung. In Paris diskutierten die Notenbanker darüber erneut. Einige aber halten das angesichts des Endes der Rezession nicht für angemessen. Eine große Spaltung des Rats will Draghi aber wohl nicht.Forderungen nach einer Zinssenkung haben auch zugenommen, weil die Inflation im September auf 1,1 % gesunken ist. Einige Volkswirte fürchten eine Deflation. Die EZB sieht diese Gefahr aber bislang nicht, und Draghi betonte, der Rückgang sei in Einklang mit der EZB-Erwartung mittelfristig stabiler Preise.Handlungsdruck sehen manche aber auch wegen der Euro-Aufwertung. Draghi betonte in Paris, dass die EZB zwar kein Wechselkursziel habe, aber sehr genau beobachte, wie der Wechselkurs auf Wachstum und Inflation wirke. Anders als noch im Februar, als der Euro auf einem ähnlichen Niveau war, nahm die EZB ihn diesmal aber nicht explizit in die Auflistung als “Abwärtsrisiko” für die Teuerung auf. Noch scheint sie da weniger besorgt als im Frühjahr.