Deutsche Industrie

Großaufträge füllen die Bücher

Das Auftragspolster der deutschen Industrie ist im Juni dicker geworden – allerdings nur wegen eines Großauftrags. Die Reichweite hat sich nicht verlängert.

Großaufträge füllen die Bücher

Großaufträge füllen die Bücher

Auftragsbestand legt 0,8 Prozent zu – Aussichten für deutsche Industrie aber wenig rosig – Reichweite unverändert

ba Frankfurt

Das Auftragspolster der deutschen Industrie ist im Juni dicker geworden – allerdings nur wegen eines Großauftrags im Luft- und Raumfahrzeugbau. Die Reichweite hat sich aber nicht verlängert. Und auch sonst sind die Aussichten trübe, wie neue Daten in der kommenden Woche zeigen dürften.

Großaufträge haben das Auftragspolster der deutschen Industrie im Juni angedickt. Daher ist der Anstieg des preis-, saison- und kalenderbereinigten Auftragsbestands um 0,8% im Monatsvergleich keine uneingeschränkt gute Nachricht für das verarbeitende Gewerbe. Denn Großaufträge sind nicht nur volatil, sondern betreffen auch nur einzelne Unternehmen.

In der Breite der Industrieunternehmen ist die Stimmung aber derzeit so mau wie zuletzt im Mai 2020, also zur Hochzeit der Corona-Pandemie, wie die Einkaufsmanagerumfrage für Juli ergeben hat. Ökonomen erwarten, dass sich die Stimmungseintrübung im August fortgesetzt hat: Für die Erstschätzung des Einkaufsmanagerindex, die am kommenden Mittwoch veröffentlicht wird, geht die Konsensprognose von einem weiteren Abrutschen des Industriebarometers auf 38,5 Zähler nach 38,8 Punkten im Juli aus. Das Euro-Pendant dürfte der Konsensprognose nach nur leicht nachgeben, mit einem Wert von 42,6 Punkten aber gleichfalls unter der neutralen 50er Schwelle bleiben. Werte darunter signalisieren ein schrumpfen der Aktivität.

Auch beim Ifo-Geschäftsklima, dem wichtigsten Frühindikator für die hiesige Wirtschaft, wird ein erneuter Rückgang erwartet, und zwar um 0,5 auf 86,8 Zähler – wobei der Geschäftsklimaindex für die Industrie gleichfalls nachgeben wird. Im Juli hatte das Ifo-Geschäftsklima den dritten Monat in Folge nachgegeben, was als Trendwende hin zum Schlechteren gilt. Ein Schrumpfen der deutschen Wirtschaft im zweiten Halbjahr wird daher als immer unausweichlicher gesehen. Für das zweite Quartal geht das Statistische Bundesamt (Destatis) derzeit von einer Stagnation des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Nachdem der Datenkranz für Juni allerdings mehrheitlich unerfreulich ausgefallen ist, rechnen Ökonomen mit einer Abwärtsrevision, und zwar auf −0,2%. Am kommenden Freitag legt Destatis zudem die Details vor. Bislang ist bekannt, dass sich der Privatkonsum nach dem schwachen Winterhalbjahr stabilisiert hat.

Flaues Autogeschäft

Laut Destatis füllten sich die Orderbücher des verarbeitenden Gewerbes im Juni "insbesondere durch die positive Entwicklung im Sonstigen Fahrzeugbau". Der starke Anstieg in diesem Bereich von saison- und kalenderbereinigt 6,5% zum Vormonat sei auf einen Großauftrag im Luft- und Raumfahrzeugbau zurückzuführen. Einen negativen Einfluss auf das Gesamtergebnis hatte hingegen die Automobilindustrie. Hier nahm der Auftragsbestand Destatis zufolge um 4,9% ab. Ebenfalls schmaler geworden ist das Auftragspolster im Bereich der Vorleistungsgüter (−0,7 %). Im Bereich der Investitionsgüter hingegen nahm der Auftragsbestand um 1,1% und im Bereich der Konsumgüter um 0,8% zu.

Dabei erhöhte sich der Bestand an Aufträgen aus dem Ausland mit 0,9% im Monatsvergleich etwas stärker als die noch offenen Aufträge aus dem Inland, die um 0,8% zulegten. Im Vergleich zum Vorjahresmonat Juni 2022 lag das Bestandsvolumen der gesamten Industrie um 3,1% niedriger.

Die aufgeplusterten Auftragsbücher führten im Juni zu keiner Veränderung der Reichweite, also der Zeit, die die Unternehmen bei gleichbleibendem Umsatz theoretisch produzieren müssten, um die bereits vorhandenen Aufträge abzuarbeiten. Destatis vermeldet eine Reichweite des Auftragsbestands von unverändert 7,2 Monaten, im April waren es aber noch 7,3 Monate und im März 7,4 Monate.

| Quelle:

Materialprobleme lösen sich weiter

Dass die Lage innerhalb der Industrie sehr uneinheitlich ist, zeigt sich auch bei der Materialversorgung, die monatlich vom Ifo-Institut abgefragt wird. So nehmen die Lieferkettenprobleme in der Breite kontinuierlich seit mehr als einem Jahr ab. Im Juli klagten nur mehr 29,5% der befragten Firmen über Engpässe, im Juni waren es noch 31,9%. „Engpässe gibt es weiterhin bei einigen elektronischen Komponenten“, mahnte aber Klaus Wohlrabe, Leiter der Ifo-Umfragen. Die größten Probleme zeigen sich immer noch in der Automobilindustrie (rund 60%). Von einer substanziellen Entspannung ist den Münchener Wirtschaftsforschern zufolge nichts zu sehen. Im Maschinenbau, der zweiten gewichtigen Branche, ist der Anteil erstmals seit zwei Jahren wieder unter die 50-Prozent-Marke gefallen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.