DIE ÖKONOMISCHE ORDNUNG ZERBRICHT

Handelspolitisches Fiasko

Argwohn wächst - Abkommen werden schwieriger

Handelspolitisches Fiasko

Von Detlef Fechtner, FrankfurtWenige Tage vor Weihnachten meldete sich die EU-Kommission mit einer überraschenden Nachricht: Die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen stünden “kurz vor dem Abschluss”. Anfang Dezember habe es “bedeutsame Fortschritte” gegeben. Eine Verständigung werde daher “so früh wie möglich im Jahr 2017” angestrebt.Nein, nein, gemach! Natürlich ging es in der Brüsseler Mitteilung nicht um TTIP – also nicht um den heftig umstrittenen Handelspakt zwischen der EU und den USA. Sondern um das europäisch-japanische Freihandelsabkommen. Tatsächlich dürfte die Vereinbarung mit den Asiaten bereits in einigen Wochen in trockenen Tüchern sein. Ganz anders als TTIP. Beim Mammutprojekt mit den Amerikanern wird es wohl überhaupt nicht vorangehen. Nicht in den nächsten Wochen, nicht einmal in den nächsten Jahren.Denn TTIP liegt – nach den Worten von EU-Kommissarin Cecilia Malmström – erst einmal “im Gefrierschrank”. Und wann es wieder aufgetaut wird, ist völlig unklar. Das liegt an der klaren Absage des designierten US-Präsidenten Donald Trump an TTIP. Aber auch an den Kontroversen diesseits des Atlantiks über Sinn und Unsinn des Abkommens.TTIP ist auf bestem Wege, zu einem der größten Fehlschläge europäischer Politik zu werden. Trotz aller Bemühungen der Kommunikationsabteilung der EU-Kommission und unbeschadet aller Zugeständnisse an die Kritiker, etwa hinsichtlich der Offenlegung von Dokumenten oder bezüglich der EU-Position in Sachen Schiedsgerichtsbarkeit, ist es nicht gelungen, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. In der europäischen Öffentlichkeit steigt die Ablehnungsquote seit Jahren. Und es sind nicht mehr nur deutsche und österreichische Bürger, die argwöhnen, dass das Transatlantik-Freihandelsabkommen Umwelt- und Sozialstandards gefährde, den Datenschutz aufweiche und die Politik den Interessen der Unternehmen unterordne. Vorwürfe, die immer öfter nicht allein auf TTIP, sondern generell auf die EU bezogen werden.Dass sich diese Vorbehalte manifestiert haben, daran sind die EU-Institutionen mitschuldig. Statt einzuräumen, dass es auch Verlierer des Freihandels gibt und statt – im Sinne des “European way of life” – über die Abfederung sozialer Härten oder die Stärkung bislang nicht wettbewerbsfähiger Industrien zu diskutieren, beschränkte sich Brüssel zu lange auf Schwärmereien über vermeintliche Wohlstandsgewinne von 233 Euro pro Bürger. Das verbreitete Misstrauen, heimische Standards würden durch Handelsabkommen von listigen Konzernlobbyisten ausgehebelt, hat schon den europäisch-kanadischen Handelspakt Ceta ins Wanken gebracht. Im Herbst konnte er nur durch Versprechen an wallonische Bauern vor dem Scheitern bewahrt werden. Und auch wenn Ceta im Februar den Segen des EU-Parlaments erhalten dürfte, gilt das Abkommen zunächst nur in Teilen. Um es komplett zu verabschieden, ist noch die Billigung durch 40 nationale und regionale Parlamente nötig.Freilich sollte niemand denken, die Stimmung habe nur in Europa gegen den Freihandel gedreht. Seit der Wahl Trumps zum US-Präsidenten steht die Zukunft der amerikanisch-pazifischen Vereinbarung TPP wieder in den Sternen. Was wiederum – Ironie des Schicksals! – Japan motiviert hat, handelspolitisch schneller als geplant an Europa heranzurücken. Am besten eben “so früh wie möglich im Jahr 2017”.