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"Ich bin gerne Bundesbankpräsident"

Von Mark Schrörs, Frankfurt Börsen-Zeitung, 28.2.2019 Was für ein Timing: Just an dem Tag, an dem Bundesbankpräsident Jens Weidmann gestern im Gästehaus der Notenbank in Frankfurt vor internationalen Journalisten und übertragen im weltweiten Netz...

"Ich bin gerne Bundesbankpräsident"

Von Mark Schrörs, FrankfurtWas für ein Timing: Just an dem Tag, an dem Bundesbankpräsident Jens Weidmann gestern im Gästehaus der Notenbank in Frankfurt vor internationalen Journalisten und übertragen im weltweiten Netz die Bundesbankbilanz 2018 vorstellt und seine Sicht zur EZB, dem globalen Protektionismus, den Risiken des Brexit und vielem mehr kundtut, beschließt das Bundeskabinett in Berlin eine zweite Amtszeit für den 50-Jährigen. Weidmann soll weitere acht Jahre an der Spitze der Bundesbank stehen.”Ich bin gerne Bundesbankpräsident”, sagte Weidmann gestern mit seinem typischen, halb verschmitzten, halb schüchternen Lächeln und fügt hinzu: Er freue sich, weiter eine wichtige Rolle in den geldpolitischen Diskussionen zu spielen. Seit Mai 2011 ist Weidmann Präsident der Bundesbank. Das Amt trat er damals mit 43 Jahren als jüngster Bundesbankpräsident aller Zeiten an. Seitdem ist er auch Mitglied im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB).Die ersten acht Jahre nannte der promovierte Volkswirt, der mit Leib und Seele Geldpolitiker und Ökonom ist, gestern “sehr bewegt” und “sehr schön, trotz aller Krisen”. Er erinnerte daran, dass sich die Euro-Staatsschuldenkrise gerade Bahn gebrochen hatte, als er ins Amt kam und Axel Weber ersetzte, und dass es “intensive Diskussionen” über den Umgang mit der Krise gab. Die Bundesbank habe da eine wichtige Rolle gespielt. Geldpolitisch sei die EZB “in vollkommen unbekanntes Territorium vorgedrungen” – auch das sei eine Herausforderung gewesen.Tatsächlich wurden in der Weltfinanzkrise und der Euro-Schuldenkrise viele politische und auch geldpolitische Tabus gebrochen – wie etwa der breite Ankauf von Staatsanleihen. Speziell Staatsanleihekäufe hat Weidmann immer kritisch gesehen und daraus auch öffentlich keinen Hehl gemacht. Meinungsvielfalt sei in einem Gremium wie dem EZB-Rat positiv, sagte der stets jungenhaft wirkende und immer höflich auftretende Notenbanker. Zudem sei es nicht um normale Diskussionen über die Leitzinsen gegangen, sondern etwa um die Trennung von Fiskal- und Geldpolitik – und damit letztlich um die Unabhängigkeit der Notenbank. Da müsse ein Bundesbankpräsident Stellung beziehen.Sein öffentlicher Widerstand hat ihm aber auch die Bezeichnung “Anti-Draghi” eingebracht – und mitunter schien Weidmann auch im EZB-Rat allein auf weiter Flur zu sein. Unvergessen ist, wie EZB-Präsident Mario Draghi öffentlich über eine Strategie des “Nein zu allem” klagte – und dabei vor allem auf Weidmann zielte. Das Verhältnis der beiden gilt als äußerst schwierig. Zugleich verteidigte Weidmann Draghi aber wiederholt gegen Angriffe auch deutscher Politiker.Weidmann, der ab 2006 die Abteilung für Wirtschafts- und Finanzpolitik im Bundeskanzleramt geleitet und ab 2009 Kanzlerin Angela Merkel (CDU) als G8- und G20-Chefunterhändler (“Sherpa”) gedient hatte, ist überzeugter Europäer und es ärgert ihn, wenn sein Widerstand gegen manche EZB-Maßnahme gegenteilig ausgelegt wird. Er hätte es in der Krise gerne gesehen, dass die Politik stärker ihrer Verantwortung gerecht geworden wäre – statt dass häufig die Notenbank in die Bresche gesprungen ist. Immer wieder kritisiert er den geringen Reform- und Spareifer in vielen Euro-Staaten. Damit hat er sich im Euro-Süden auch viele Gegner gemacht. Draghi-Nachfolge im BlickLange Zeit galt Weidmann trotzdem als Top-Kandidat für die Nachfolge von Draghi, dessen Amtszeit Ende Oktober ausläuft. Im EZB-Rat können nur wenige mit Weidmanns Expertise mithalten. Mit dem CSU-Europaabgeordneten Manfred Weber greift nun aber ein Deutscher nach dem Posten des EU-Kommissionspräsidenten. Sollte Weber das schaffen, hätte Weidmann keine Chance mehr.Weidmann würde Draghi ohne Frage gerne nachfolgen. Er betont aber auch immer wieder, wie glücklich er als Bundesbankpräsident ist. Die Institution beschäftige viele spannende, interessante Mitarbeiter und er genieße die Diskussionen mit ihnen, sagte der Dienstherr über rund 11 000 Beschäftige auch gestern. Weidmann, ein glühender Eintracht-Frankfurt-Fan, hat zudem einen Vorteil: Er ist jung. Ende 2027, wenn die Amtszeit des nächsten EZB-Präsidenten endet, wäre er erst 59 Jahre alt.