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Ifo-Geschäftsklima legt Verschnaufpause ein

Trotz weiter steigender Inflation hat das Ifo-Geschäftsklima im Oktober einen Zwischenstopp seiner Talfahrt eingelegt. Das ändert aber nichts am herbstlich trüben Konjunkturbild: Deutschland steckt in der Rezession.

Ifo-Geschäftsklima legt Verschnaufpause ein

ba Frankfurt

Der Stimmungsrückgang auf den deutschen Chefetagen hat im Oktober eine Verschnaufpause eingelegt: Trotz weiter steigender Inflation und der Energiekrise hat sich das Ifo-Geschäftsklima stabilisiert. Denn nur durch die Aufwärtsrevision des Septemberwerts von 84,3 auf 84,4 Punkte ergab sich für Oktober ein Rückgang um 0,1 auf 84,3 Zähler. Ökonomen hatten zwar mit einem deutlicheren Minus auf 83,3 Punkte gerechnet, sehen aber noch keinen Grund zur Entwarnung: Die deutsche Wirtschaft steckt bereits in der Rezession, so der Tenor, die Frage ist nur, wie lang und tief sie ausfällt. Das Ifo-Institut erwartet, dass das Bruttoinlandsprodukt im laufenden vierten Quartal um 0,6% schrumpft. Für das dritte Quartal, für das das Statistische Bundesamt am Freitag eine erste Schnellmeldung vorlegt, liegt die Prognose der Bankvolkswirte bei im Schnitt −0,2%.

„Die Winterrezession kommt“, erklärte dazu Klaus Wohlrabe, Leiter der Ifo-Umfragen, im Reuters-Interview. Die Unternehmen waren im Oktober mit ihren laufenden Geschäften weniger zufrieden, der Lageindikator gab um 0,4 auf 94,1 Punkte nach. Der Ausblick hingegen verbesserte sich, so dass das entsprechende Barometer um 0,3 auf 75,6 Zähler zulegte. „Trotzdem blicken die Unternehmen sorgenvoll auf die nächsten Monate“, mahnte Ifo-Präsident Clemens Fuest.

„Offenbar hat der 200-Mrd.-,Wumms‘ der Bundesregierung die Geschäftserwartungen der Unternehmen stabilisiert“, urteilt KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib Außerdem würden sie registrieren, dass die Wahrscheinlichkeit einer Gasmangellage dank voller Speicher und guter Einsparerfolge ge­schrumpft sei. Die Laufzeitenverlängerung für die Atomkraftwerke bezeichnete LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch ebenfalls als einen – wenn auch nur kleinen – Lichtblick. „Und der dürfte für die befragten Unternehmen vorerst hinter den ­großen Themen Anstieg der Ener­giepreise und Störung der Lieferketten zurückbleiben.“ Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer wertet den Rückgang der Unternehmen, die mit einem Mangel an Vorprodukten kämpfen, von 65,8% auf 63,8% als „gewisse Erklärung für die Stagnation“ des Ifo-Geschäftsklimas, das im Monat zuvor noch „förmlich eingebrochen war“ – und zwar um 4,2 Punkte. Das Ifo-Geschäftsklima, das wichtigste Frühbarometer der hiesigen Wirtschaft, liege trotz der Stagnation „weiter in einem Bereich, in dem das BIP in der Vergangenheit geschrumpft war, es also zu einer Rezession gekommen war“. Ein solches Rezessionssignal sende auch der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor im Euroraum, der als recht zuverlässiger Indikator gelte, mahnte Krämer.

Deka-Volkswirt Andreas Scheuerle sieht die Unternehmen „gleich von mehreren Seiten in die Zange genommen“: Unternehmen und Einkaufsmanager würden schon jetzt die Nachfragesituation immer schlechter beurteilen, die Fertigwarenlager würden voller, weil die ­Produktion nicht mehr vollständig abgesetzt werden könne. Zugleich steige die Kostenbelastung durch die hohen Energiepreise, steigende Zinsen und wachsenden Lohndruck. Die Auftragsbücher im verarbeitenden Gewerbe seien voll, doch kämen immer weniger neue Aufträge hinzu, erklärt das Ifo-Institut zum erneuten Minus des Industrieklimas. Auch sei die Kapazitätsauslastung von 85,3% auf 84,6% gesunken, liege damit aber weiter über dem langfristigen Durchschnitt von 83,6%.

Als Sorgenkind bezeichnete Wohlrabe aber den Einzelhandel. Dort seien die Erwartungen abermals auf ein Rekordtief gefallen. „Da ist die Sorge groß, dass die Kunden zu Hause bleiben wegen der Inflation“, sagte der Experte. Die Teuerungsrate lag zuletzt bei 10%, was an der Kaufkraft der Verbraucher nagt. Der Umfrage zufolge plant etwa jedes zweite Unternehmen, in den kommenden drei Monaten die Preise anzuheben.

„Auch im Gastgewerbe hat sich die Stimmung stark eingetrübt“, sagte Wohlrabe. Neben den hohen Energie- und Verbraucherpreisen spiele hier womöglich auch die wieder wachsende Furcht vor einer neuen Coronawelle eine Rolle. Das Geschäftsklima der Dienstleister habe sich nach dem Absturz im September leicht erholt. Schlecht laufe es auch für den Bausektor. „Er ist von Stornierungen geplagt, daher verdüstert sich die Stimmung immer weiter.“ Der Lageindikator fiel auf den niedrigsten Stand seit Januar 2016, der Auftragsbestand war rückläufig. Destatis vermeldet für August ein Auftragsminus von real 6,0% zum Vormonat und von 15,6% zum Vorjahr.

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