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In Italien ist nicht gut arbeiten

Vor allem im Tourismus sind die Löhne niedrig und die Jobs auf zwei oder drei Monate im Jahr begrenzt. Gut qualifizierte Italiener gehen häufig lieber ins Ausland.

In Italien ist nicht gut arbeiten

Notiert in Mailand

In Italien ist nicht gut arbeiten

Niedrige Löhne, schlechte Arbeitszeiten

Von Gerhard Bläske
bl Mailand

In Italien ist nicht gut arbeiten, zumindest für den Großteil der Italiener. Die Produktivität stagniert seit Mitte der 1990er Jahre. Die Löhne sind niedrig. Die Realeinkommen sind gegenüber 1995 gesunken. Nur 9% der Beschäftigten haben Einkommen von über 40.000 Euro. Viele der Jobs im Tourismus, in der Gastronomie und der Hotellerie sind schlecht bezahlt. Einen Mindestlohn gibt es nicht. Die Jobs sind meist auf zwei oder drei Monate im Jahr begrenzt. Die Arbeitszeiten sind unattraktiv. Und viele Arbeitsplätze sind gefährlich: Fast 1.100 Menschen starben 2024 am Arbeitsplatz. Die Situation ist so dramatisch, dass Staatspräsident Sergio Mattarella nun Unternehmen, Gesetzgeber und den Staat zum Handeln aufrief. Die Situation sei nicht mehr akzeptabel. Die Regierung hat insgesamt 1,2 Mrd. Euro für die Verbesserung der Arbeitssicherheit und Kontrollen in Unternehmen freigegeben.

Bei Mama und Papa

Mattarella ist auch besorgt, weil viele Arbeitnehmer ihren Lebensunterhalt nicht aus ihrer Arbeit bestreiten können. Der Großteil der unter 40-Jährigen wohnt noch bei Mama und Papa. Zum Glück haben die Italiener Vermögen von 11 Bill. Euro angesammelt. Viele junge Leute werden so durchgefüttert oder leben von der Vermietung von geerbten Wohnungen an Touristen, statt zu arbeiten.

Die Zahl der sogenannten Neets, die weder zur Schule gehen noch studieren oder arbeiten, ist in der Gruppe der 15- bis 29-Jährigen auf mehr als 1,3 Millionen gestiegen. Die Arbeitslosenquote in dieser Altersgruppe liegt bei 17%, und bei den Frauen ist die Beschäftigungsquote mit 54,2% um 15 Prozentpunkte niedriger als die deutsche. Gleichzeitig jammert die Wirtschaft, dass sie qualifizierte Arbeitsplätze nicht besetzen kann. Die (niedrige) Beschäftigungsquote ist zuletzt nur gestiegen, weil gut qualifizierte Ältere nun länger arbeiten. Jüngere qualifizierte Arbeitskräfte wandern häufig nach Deutschland oder in der Schweiz ab. Dort sind die Einkommen deutlich höher und die Karrieremöglichkeiten besser.

Gut für Gutverdiener aus dem Ausland

Statt Arbeitskräfte besser zu qualifizieren und auszubilden, ruft die Wirtschaft nach mehr Einwanderung. Doch die oft unqualifizierten Migranten erhalten Löhne, die um ein Viertel unter den schon niedrigen der Italiener liegen. Und es kommen zu wenige nach. Die Zahl der Neugeborenen sank 2024 zum Vorjahr um 2,6% auf den Tiefstwert von 370.000. Das entspricht 1,18 Kinder pro Frau. Damit steht Italien in Europa ganz hinten. Bei der Lebenserwartung liegt das Belpaese jedoch mit 83,4 Jahren sehr weit vorn. Immer weniger Junge müssen immer mehr Alte durchfüttern, die früher in Rente gehen als der europäische Durchschnitt.

Italien ist nicht für alle ein schlechter Arbeitsort. Vor allem höhere Einkommensbezieher zahlen häufig keine oder nur geringe Steuern und profitieren von einer der regelmäßigen Steueramnestien. Auch die Schwarzarbeit floriert. Und Gutverdiener aus dem Ausland werden mit extrem niedrigen Steuern angelockt.

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