Höher als erwartet

Inflation im Euroraum liefert Argument für längere Zinspause

Anders als von Ökonomen mehrheitlich erwartet, ist die Inflation im Euroraum nicht gefallen. Die Kernrate als Indikator für den Preistrend stagniert ebenfalls. Die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung der EZB im September dürfte damit nun niedriger sein.

Inflation im Euroraum liefert Argument für längere Zinspause

Euro-Inflation liefert Argument für längere Zinspause

Teuerung mit 2 Prozent höher als erwartet – Kernrate sinkt nicht – Falken im EZB-Rat dürften sich in ihrer Haltung bestätigt sehen

Anders als von Ökonomen mehrheitlich erwartet, ist die Inflation im Euroraum nicht gesunken. Die Kernrate als Indikator für den Preistrend stagniert ebenfalls. Das Risiko einer dauerhaft zu niedrigen Inflation ist damit etwas niedriger, ebenso wie die Wahrscheinlichkeit einer EZB-Zinssenkung im September.

mpi Frankfurt

Die Inflation im Euroraum liegt im Juli den zweiten Monat in Folge exakt auf dem Zielwert der EZB von 2,0%. Damit sind die Preise etwas stärker geklettert, als die meisten Ökonomen erwartet hatten. Von Reuters befragte Volkswirte hatten im Schnitt einen Rückgang der Inflationsrate auf 1,9% vorhergesagt.

In den großen Euro-Volkswirtschaften Frankreich und Spanien war die Inflation jeweils 0,1 Prozentpunkte höher gewesen als erwartet. Das macht sich nun bemerkbar in den aggregierten Daten für die Eurozone. Insgesamt setzt sich der Trend fort, dass im Jahresvergleich niedrigere Energiekosten die Inflation im Währungsraum dämpfen, während der Inflationsdruck bei Dienstleistungen relativ hoch ist. Beide Effekte schwächen sich jedoch ab. Energie verbilligte sich nach den vorläufigen Zahlen der Statistikbehörde Eurostat um 2,5%, nach Rückgängen von 2,6% und 3,6% in den Monaten zuvor. Die Preise für Dienstleistungen legten um 3,1% zu. Im Mai und Juni war die Inflation hier noch etwas höher gewesen. In den Monaten davor verharrte sie sogar lange Zeit bei rund 4,0%.

„Das ist ein wichtiges Indiz, dass sich auch die zugrundeliegende Dynamik des Preisdrucks weiter abschwächt“, sagt Dirk Schumacher, Chefvolkswirt der KfW, mit Blick auf die Dienstleistungsinflation im Juli. Ein anderer Indikator für den Preistrend, die Kerninflation, gab jedoch nicht weiter nach. Sie stagnierte den dritten Monat in Folge bei 2,3%. Bei der Kernrate werden die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise nicht berücksichtigt. Der geringere Preisauftrieb bei Dienstleistungen im Juli wurde von einer höheren Inflation bei Industriegütern kompensiert. In diesem Bereich legten die Preise um 0,8% zu, nach 0,5% im Juni.

Inflationsrisiko Lieferketten

„Auch wenn das Ergebnis noch etwas günstiger hätte sein können, bleibt die Inflation im Zaum“, urteilt Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Er rechnet damit, dass die Inflation im Euroraum auch in den kommenden Monaten um das Inflationsziel der EZB pendelt, warnt jedoch vor Inflationsrisiken. „Durch die Zoll-Deals sind Lieferketten weltweit gestresst, wodurch Kostendruck entsteht“, sagt er. „Wegen bestehender Inflationsunsicherheiten ist die EZB gut beraten, ihre Zinspause beizubehalten.“

Von einer höheren Inflation als die EZB gehen auch die Volkswirte der Commerzbank aus. „Mit Blick auf die weiter darüber liegende Kerninflation ist es fraglich, ob die Inflationsrate bis zum Frühjahr nächsten Jahres wirklich unter 1,5% fällt, wie es die EZB erwartet“, sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Bank.

Neue Projektion

Im September präsentiert die EZB im Rahmen ihres nächsten Zinsentscheides aktualisierte Projektionen für Inflation und Wirtschaftswachstum. In der bislang aktuellsten Variante von Juni prognostizieren die Volkswirte des Eurosystems, dass die US-Zölle die wirtschaftliche Dynamik in der Eurozone spürbar ausbremsen und dadurch die Inflation vorübergehend zu niedrig ausfällt.

Da in dieser Projektion eine weitere Zinssenkung der EZB um 25 Basispunkte eingepreist ist, erwartet ING-Chefökonom Carsten Brzeski, dass die Notenbank im September eher lockert, als die Zinspause zu verlängern. Sollte sie es nicht tun, würde dies Abwärtsdruck auf die Inflations- und Wachstumsprognose der EZB erzeugen. Zudem sind die US-Zölle auf EU-Importe mit einem Standardsatz von 15% 5 Prozentpunkte höher ausgefallen, als im Basisszenario der EZB aus dem Juni.

Ob die EZB im September nochmal die Zinsen um 25 Basispunkte senkt oder der Lockerungszyklus abgeschlossen ist, ist noch offen. Allerdings verdichten sich die Anzeichen, dass es einen neuen Impuls braucht, damit die EZB weiter lockert. Dieser könnte darin bestehen, dass der Zollkonflikt die Inflation oder das Wirtschaftswachstum im Euroraum spürbar stärker senkt als erwartet.

Wirtschaft wächst

Durch die nun etwas höher als prognostizierte Inflation ist dieses Szenario unwahrscheinlicher geworden. Krüger verweist zudem auf das Wirtschaftswachstum in der Eurozone. Eurostat hatte diese Woche vermeldet, dass das Bruttoinlandsprodukt der Währungsgemeinschaft im zweiten Quartal zumindest um 0,1% gewachsen ist. Die sich über der Nulllinie haltende Wirtschaft gebe der EZB laut Krüger Spielraum für eine Zinspause im September.

Für KfW-Chefökonom Schumacher ist es noch zu früh, um eine Aussage darüber zu treffen, ob es einer weiteren Zinssenkung der EZB bedarf. Die Notenbank müsse abwarten, „wie, und ob, sich der gefundene Kompromiss im Handelskonflikt mit den USA in den Inflationszahlen der kommenden Monate wiederfinden wird.“