Inflation robuster als gedacht

Deutsche Teuerung verharrt im Juli bei 1,5 Prozent - Kein baldiger EZB-Kurswechsel erwartet

Inflation robuster als gedacht

Die nach EU-Standard für Deutschland errechnete Inflationsrate ist im Juli stärker gestiegen als erwartet, verharrte aber erneut unter dem Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von knapp 2 %. Die französische und spanische Teuerung nahm moderat zu, dürfte laut Beobachtern aber immer noch zu schwach sein, um die EZB zu einer strafferen Geldpolitik zu bewegen.jw Frankfurt – Die Inflation in Deutschland in der für EU-Zwecke harmonisierten Berechnung (HVPI) ist im Juli nach vorläufigen Daten des Statistischen Bundesamts um 1,5 % im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Im Juni hatte die Teuerung ebenfalls 1,5 % betragen. Binnen Monatsfrist nahmen die Verbraucherpreise im Juli um 0,4 % zu.Ökonomen hatten für Juli nur mit einem jährlichen Anstieg um 1,4 % gerechnet. Nicht harmonisiert nahm die Teuerung von 1,6 % auf 1,7 % zu, auch die Kernrate erhöhte sich von 1,6 % auf 1,7 %. Zwar waren vor allem höhere Lebensmittelpreise (+2,7 %) Ursache für den Anstieg, die Preise in anderen Kategorien, wie Mieten (+1,8 %), Waren (+1,7 %), Dienstleistungen (+1,7 %) und Energie (+0,9 %) zogen jedoch ebenfalls an. Stephen Brown, Ökonom bei Capital Economics, warnt jedoch: “Im Moment ist die Kerninflation in Deutschland noch recht niedrig – und ist vor allem noch zu niedrig, um die Kerninflation in der gesamten Eurozone nach oben zu treiben”. Auch Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, meint: “Von Inflationsdruck kann keine Rede sein. Die teuerungstreibenden Ölpreiseffekte laufen weiter aus.” Preise in Spanien ziehen anIn Frankreich stiegen die vorläufigen HVPI-Verbraucherpreise im Juli, wie auch im Vormonat, gegen Vorjahr auf 0,8 %. In Spanien liegt die Inflationsrate im Juli zwar deutlich höher, aber immer noch klar unter dem Niveau von früheren Aufschwungphasen. Der vorläufige HVPI lag im Juli bei 1,7 %, nach 1,6 % im Juni. Analysten hatten eine Rate von 1,6 % erwartet. Anders als für Deutschland erwarten Experten für andere Euro-Länder nicht, dass sich ein nachhaltiger Preisdruck aufbaut. “Die in etlichen Euro-Ländern weiterhin hohe Arbeitslosigkeit und Überkapazitäten sorgen dafür, dass die Löhne nur recht moderat zulegen und damit kaum den Verbraucherpreis treibende Effekte entstehen”, analysiert Commerzbank-Ökonom Marco Wagner.Die EZB spricht nur bei Werten von knapp unter 2 % von stabilen Preisen. Zuletzt hatte die Notenbank einen ersten Minischritt in Richtung einer weniger lockeren Geldpolitik gewagt und will nun im Herbst über die Zukunft ihres milliardenschweren Anleihen-Kaufprogramms beraten. Der Chefökonom der ING-DiBa, Carsten Brzeski, sieht die Notenbank weiter im “Dilemma eines Aufschwungs ohne deutlichen Inflationsdruck”. Wenn selbst in Deutschland bei einer Rekordbeschäftigung und einer Wirtschaft in Hochstimmung die Verbraucherpreise kaum steigen, “wie sollte es dann in der ganzen Eurozone in nächster Zeit dazu kommen?”, fragt Brzeski. Vielmehr dürften der niedrige Ölpreis und der starke Euro demnächst eher für ein Abflauen der Inflation sorgen. Viele Fachleute rechnen demnach damit, dass die EZB wegen der insgesamt weiter moderaten Inflation ihren lockeren Kurs zunächst fortsetzt. “Wir gehen davon aus, dass die EZB langsamer als am Markt erwartet aus ihrer expansiven Geldpolitik aussteigt”, sagt Commerzbank-Analyst Wagner. Rückenwind für den Exit?Die vorläufigen Inflationsdaten für die gesamte Eurozone werden am Montag veröffentlicht. Jedoch rechnen Experten nach den moderaten Anstiegen der Verbraucherpreise in den größeren Volkswirtschaften eher nicht damit, dass diese der EZB Rückenwind für die Kommunikation ihrer Exit-Strategie geben dürften. Erwartet wird keine Veränderung der Inflationsrate zum Vormonat – da lag sie bei 1,3 %.—– Wertberichtigt Seite 6