Konjunkturtableau

Inflation treibt Prognostiker um

Ökonomen haben nach den kräftigen Prognoserevisionen wegen des Ukraine-Kriegs nur bei der Inflation stärkeren Anpassungsbedarf, wie das aktuelle Konjunkturtableau zeigt. Ungewöhnlich ist die nach wie vor große Bandbreite.

Inflation treibt Prognostiker um

ba Frankfurt

Noch zeigt der Ukraine-Krieg in den Wirtschaftsdaten nur indirekt seine Spuren, und die Prognostiker tun sich schwer mit konkreten Schätzungen. Die Unsicherheit zeigt sich daher auch in der Bandbreite der Voraussagen im aktuellen Konjunkturtableau der Börsen-Zeitung und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Nach den kräftigen Revisionen infolge des russischen Einmarsches in die Ukraine haben die Auguren in den vergangenen Tagen nur mehr bei der Inflation nennenswert nachjustiert. „Die Einschätzungen zur wirtschaftlichen Entwicklung in diesem und dem nächsten Jahr scheinen damit die neue geopolitische Lage berücksichtigt zu haben“, erklärte dazu ZEW-Experte Michael Schröder.

Im Median, den das ZEW für das Konjunkturtableau ermittelt, erwarten die Experten für 2022 eine Teuerungsrate von 6,0% – im März waren sie noch von 5,7% ausgegangen. Aktuell liegt die Rate in nationaler Rechnung bei 7,4% und damit so hoch wie seit März 1981 nicht. Die Bandbreite der Prognosen liegt zwischen 3,5% und 8,2% (siehe Tabelle). Für das kommende Jahr driften der höchste und der niedrigste Wert nicht mehr ganz so stark auseinander, und die Experten erwarten, dass die Inflation mit 2,4% nur noch wenig über der EZB-Zielmarke liegen wird.

Erstaunlich findet Schröder an den Bandbreiten der Prognosen, „dass die dadurch ausgedrückte Unsicherheit für das laufende Jahr sehr groß ist, während sie für 2023 deutlich geringer ausfällt“ – dabei könnten sich „in einem längeren Zeitraum grundsätzlich mehr überraschende Entwicklungen ergeben als in einem kürzeren Zeitraum“. Es zeige sich aber noch eine andere Tendenz, die die Interpretation des Prognoseintervalls als reinen Ausdruck von „Unsicherheit“ etwas in Frage stelle: „So gehen die eher niedrigen Prognosen für 2022 mit eher hohen Prognosen für 2023 einher und umgekehrt.“

Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Voraussage für das Bruttoinlandsprodukt (BIP): Für 2022 steht der Median unverändert bei 2,2%, wobei die niedrigste Prognose mit −0,3% von einer leichten Rezession ausgeht, wohingegen die höchste Prognose mit 4,1% ein sehr kräftiges Wachstum avisiert. Für 2023 ist die BIP-Prognose mit 2,8% im Median leicht höher als im März mit 2,7% angegeben.

Durchweg positiv wird Schröder zufolge die weitere Entwicklung des Arbeitsmarktes gesehen. Die Prognosen für 2022 und 2023 sind zwar leicht höher als im März, doch im Vergleich zur aktuellen Arbeitslosenquote von 5,1% „können sich etliche der Experten einen noch deutlicheren Rückgang vorstellen“. Am heutigen Dienstag wird der Arbeitsmarktbericht für April vorgestellt (siehe auch Bericht auf dieser Seite).

Der Blick der Verbraucher auf den Jobmarkt und ihre Einkommensaussichten fällt allerdings nicht ganz so rosig aus, wie etwa die GfK-Konsumklimastudie für April zeigt. Die Einkommenserwartung ist so gering wie seit fast zwanzig Jahren nicht. Die Inflation nagt an der Kaufkraft, daher haben sowohl das GfK-Konsumklima als auch das von der EU-Kommission erhobene Verbrauchervertrauen kräftig nachgelassen. Ökonomen setzen durchaus noch darauf, dass die privaten Verbraucher die Konjunktur anschieben. Für 2022 stehen +3,7% als Median für den Privatkonsum im Tableau, wobei die pessimistischste Prognose gar von einem Schrumpfen im Jahresvergleich ausgeht.

Im März jedenfalls haben die deutschen Einzelhändler einen leichten Umsatzrückgang verzeichnet. Laut dem Statistikamt Destatis gingen die Erlöse preisbereinigt (real) um 0,1% im Monatsvergleich zurück. Seit Jahresbeginn stagnierte damit der Einzelhandelsumsatz, denn für Februar war noch ein Plus von 0,1% verzeichnet worden. Nominal stieg der Einzelhandelsumsatz im März um 2,1% – wegen der hohen Preissteigerungen, wie die Statistiker erklärten.