Verbraucherpreise

Inflation in Deutschland legt überraschend zu

Der Preisauftrieb in Deutschland hat sich im April überraschend noch einmal verstärkt. Das schürt Sorgen, dass die Inflation noch länger anhält und sich verfestigt. Die EZB gerät immer mehr unter Druck.

Inflation in Deutschland legt überraschend zu

ms Frankfurt

Der Inflationsdruck in Deutschland hat sich im April überraschend noch einmal verstärkt, statt wie allgemein erwartet zumindest ein wenig nachzulassen – und zugleich breitet er sich immer stärker in der Wirtschaft aus. Das schürt Sorgen, dass der Preisauftrieb noch länger anhält und sich zunehmend verfestigt. Das gilt auch für den Euroraum, wenngleich die spanische In­flation im April stärker zurückging als erwartet. Damit nimmt der Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB) zu, die Zinswende zu beschleunigen – und die Wahrscheinlichkeit dafür scheint zu steigen.

Wie nahezu weltweit hat die Inflation auch in Deutschland und im Euroraum die höchsten Niveaus seit Jahrzehnten erreicht. Im Euroraum lag sie im März bei 7,4% – ein absolutes Rekordniveau seit der Euro-Einführung 1999. Der Ukraine-Krieg verschärft die Probleme nun über steigende Energiepreise zusätzlich. Zugleich dämpft er aber die Konjunktur – was die EZB in ein Dilemma bringt. Bislang hat sie im Kampf gegen die hohe Inflation viel zögerlicher agiert als andere Zentralbanken, aber die Inflationssorgen und die Handlungsbereitschaft unter den Notenbankern wachsen.

In Deutschland kletterte die EU-harmonisierte Inflationsrate (HVPI) nun im April von zuvor 7,6% auf 7,8%, wie Destatis am Donnerstag in einer ersten Schätzung mitteilte. In nationaler Rechnung (VPI) legte sie von 7,3% auf 7,4% zu. Beobachter hatten dagegen einen leichten Rückgang auf 7,2% erwartet. Die jetzt erreichten 7,4% bedeuten die höchste Inflation seit März 1981. „Es gibt keine Entwarnung“, sagte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. „Die Beschleunigung verlangsamt sich, aber eine Umkehr ist nicht in Sicht“, sagte auch Carsten Brzeski, Global Head of Macro der ING.

Tatsächlich gewinnt der Preisauftrieb immer mehr an Breite. Haupttreiber der Inflation waren zwar auch im April die Energiepreise, die im Vorjahresvergleich um 35,3% zulegten. Mittlerweile steigen aber auch die Preise in anderen Kategorien deutlich. So legten Nahrungsmittel im April um 8,5% (März: 6,2%) zu und Dienstleistungen um 2,9% (2,8%). „Der Inflationsdruck weitet sich aus“, sagte auch ING-Ökonom Brzeski. Die Kerninflation ohne Energie und Lebensmittel könnte in den nächsten Monaten die Marke von 4% überschreiten – erstmals seit Anfang der 1990er Jahre.

Damit wächst auch die Sorge, dass sich der Inflationsdruck immer weiter verfestigt. „Je mehr Güter sich verteuern, desto hartnäckiger wird die Inflation“, sagte auch VP-Bank-Volkswirt Gitzel. Das gilt umso mehr, als die Inflationserwartungen anziehen und die Sorge vor einer gefährlichen Lohn-Preis-Spirale wächst. Erst in dieser Woche hatten Tarifforderungen und Aussagen deutscher Gewerkschaften dazu beigetragen. So will die IG Metall in der nächsten Tarifrunde 8,2% mehr Lohn fordern (vgl. BZ vom 28. April).

Anders als in Deutschland ging indes die Inflationsrate in Spanien im April deutlich stärker zurück als erwartet – von zuvor 9,8% auf 8,3%. Das teilte das nationale Statistikamt am Donnerstag mit. Gleichwohl nimmt auch für den Euroraum die Sorge zu, dass sich die Inflation noch hartnäckiger hält. Am Freitag gibt es eine erste Schätzung für den Euroraum. Von Reuters befragte Volkswirte erwarten im Konsens, dass die Teuerung ein neues Rekordhoch bei 7,5% erreicht – nach 7,4% im März. Vor allem bei der Kernrate wird ein deutliches Plus erwartet.

Am Donnerstag stimmte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos die Verbraucher auf eine weiter hohe Inflation ein. Die Preissteigerungen dürften „sehr wahrscheinlich“ in den kommenden Monaten hoch bleiben, warnte de Guindos vor dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung des EU-Parlaments. Er betonte, die EZB werde mit Blick auf den anhaltenden Preisauftrieb die sehr lockere Geldpolitik weiter normalisieren. Zunächst würden die Anleihenkäufe eingestellt, danach Zinserhöhungen erwogen. Zuletzt hatten sich EZB-Stimmen für eine erste Zinserhöhung im Juli gemehrt (vgl. u.a. BZ vom 26. April). EZB-Chefin Christine Lagarde hatte entsprechende Spekulationen am Mittwoch angeheizt, als sie eine Zinserhöhung im Sommer avisierte (vgl. BZ vom 28. April). Denkbar scheint dafür aktuell aber auch noch die September-Sitzung.

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