Geldpolitik

Debatte über EZB-Kurs nimmt Fahrt auf

Die EZB gerät angesichts der hartnäckigen Rekordinflation stärker unter Druck, die Zinswende zu beschleunigen. Immer mehr Euro-Notenbanker scheinen nun zu raschem Handeln bereit.

Debatte über EZB-Kurs nimmt Fahrt auf

ms Frankfurt

Die Diskussion über eine erste EZB-Zinserhöhung bereits im Juli und über den weiteren Zinskurs nimmt immer mehr Fahrt auf. Am Dienstag drängte das lettische EZB-Ratsmitglied Martins Kazaks auf eine baldige Zinserhöhung, am besten schon im Juli, und sprach von Spielraum für bis zu drei Zinsschritte nach oben noch im laufenden Jahr. Nicht zuletzt deshalb revidieren immer mehr EZB-Beobachter ihre Prognosen – wie jetzt etwa die US-Bank Goldman Sachs.

Die Europäische Zentralbank (EZB) gerät angesichts der hartnäckigen Rekordinflation immer mehr unter Druck, die Zinswende zu beschleunigen. Anders als die US-Notenbank hatten die Euro-Hüter trotz hoher Teuerung lange gezögert, entschlossen aus der ultralockeren Geldpolitik auszusteigen. Die Inflation ist im März auf 7,4% geklettert. Die EZB strebt mittelfristig 2% an. Der Ukraine-Krieg erschwert die Lage, weil er die Inflation befeuert, aber auch die Wirtschaft belastet.

„Juli die bessere Option“

„Eine Zinserhöhung im Juli ist möglich und vernünftig“, sagte der lettische Notenbankchef Kazaks nun in einem am Dienstag veröffentlichten Interview mit Reuters. Die Märkte gingen von zwei bis drei Erhöhungen im laufenden Jahr aus. Dies sei eine berechtigte Annahme, an der er nichts auszusetzen habe. Es mache dabei keinen großen Unterschied, ob die erste Anhebung im Juli oder September komme: „Doch ich denke, Juli wäre die bessere Option“, sagte er.

Kazaks sagte zudem, im Zuge der Normalisierung der Geldpolitik solle der Zins letztlich auf ein neutrales Niveau gehoben werden – also auf einen Stand, der die Wirtschaft weder stimuliert noch bremst. Der Lette betonte, Schätzungen für das neutrale Niveau variierten von 1,0 bis 1,5%. Derzeit liegt der geldpolitische Schlüsselsatz bei 0%. Der Einlagenzins liegt sogar bei −0,5%.

Bereits Ende März, vor der April-Sitzung des EZB-Rats, hatte Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann im Interview der Börsen-Zeitung für noch zwei Zinserhöhungen in diesem Jahr und für ein Ende des Negativzinses bis Jahresende plädiert (vgl. BZ vom 30. März). Auch er hatte den nominalen Gleichgewichtszins auf 1 bis 1,5% taxiert. Unlängst sagte Bundesbankpräsident Joachim Nagel, dass Anfang des dritten Quartals – also im Juli – mit einer ersten Zinsanhebung gerechnet werden könne.

Die Ökonomen von Goldman Sachs erwarten nun in einer neuen Prognose, dass die EZB die Zinssätze im Juli um 25 Basispunkte anheben wird – gefolgt von weiteren Anhebungen im September und Dezember und weiteren vier Schritten 2023. Diese revidierte Prognose sei auf eine bessere Wachstumsentwicklung als erwartet im Euroraum, einen weiter starken Inflationsdruck und jüngste Aussagen der EZB zu hohen Inflationserwartungen zurückzuführen.