Interview

IWF blickt mit großer Sorge auf US-Schuldenstreit

Seit Wochen streiten in den USA Demokraten und Republikaner über eine Anhebung der Schuldengrenze. IWF-Kapitalmarktexperte Tobias Adrian warnt im Interview der Börsen-Zeitung vor einem Scheitern. Eine US-Zahlungsunfähigkeit könnte die Weltwirtschaft und das Finanzsystem erschüttern.

IWF blickt mit großer Sorge auf US-Schuldenstreit

IWF blickt mit großer Sorge
auf US-Schuldenstreit

Kapitalmarktchef Adrian: Reale Gefahr, dass es dieses Mal nicht gut ausgeht

ms Frankfurt
Tobias Adrian, Financial Counsellor and Director of the IMF’s Monetary and Capital Markets Department. Adrian leads the IMF’s work on financial sector surveillance and capacity building, monetary and macroprudential policies, financial regulation, debt management, and capital markets. IMF Photo/KIM HAUGHTON

Der Internationale Währungsfonds (IWF) schaut sehr besorgt auf den erbitterten Streit über die US-Schuldengrenze und warnt vor weitreichenden Folgen für die Weltwirtschaft und das globale Finanzsystem im Fall einer US-Zahlungsunfähigkeit. „Im Vergleich zu 2011 oder 2013 ist die politische Lage jetzt schwieriger, weil sehr zugespitzt. Es besteht die reale Gefahr, dass es dieses Mal nicht gut ausgeht“, sagt Tobias Adrian, Leiter der IWF-Kapitalmarktabteilung und oberster Berater von IWF-Chefin Kristalina Georgiewa in finanz- und geldpolitischen Fragen, im Interview der Börsen-Zeitung. Wenn die USA zahlungsunfähig würden, hätte das „gravierende Konsequenzen“. Deshalb appelliert Adrian eindringlich: „Es darf einfach nicht zum Äußersten kommen.“

In den USA ringen Demokraten und Republikaner seit Wochen über eine Anhebung der Schuldengrenze, ohne dass bislang ein Kompromiss absehbar wäre. Nach Angaben des US-Finanzministeriums droht schon ab Anfang Juni ein Zahlungsausfall der USA als weltgrößter Volkswirtschaft. Ein solches Szenario belastet die Finanzmärkte weltweit seit Tagen. Am Donnerstag warnte die Ratingagentur Fitch, ohne Einigung könnten die USA die Top-Bonitätsnote „AAA“ verlieren. Im Jahr 2011 löste ein solcher Schritt der Ratingagentur S&P einen Ausverkauf an der Wall Street aus.

IWF-Kapitalmarktexperte Adrian hofft und setzt weiter auf einen guten Ausgang der Verhandlungen, wie er im Interview betont. „Aber die Risiken sind dieses Jahr sehr groß“, sagt er. Allein die Gefahr eines Scheiterns sei „schon ein großes Problem für die Finanzstabilität, weil es zu mehr Volatilität führt“. Mit Blick auf mögliche Folgen einer US-Zahlungsunfähigkeit sagt Adrian: „Der Dollar und die US-Staatsanleihen sind von zentraler Bedeutung für die globalen Kapitalmärkte. Wenn das Risse bekäme, hätte das sehr gravierende Konsequenzen für das globale Finanzsystem und für die Weltwirtschaft insgesamt.“

Zu den Diskussionen über die globale Geldpolitik und ein Ende des historischen Zinsstraffungskurses sagt Adrian: „Mit Blick auf die Hartnäckigkeit der Inflation besteht meines Erachtens eine große Wahrscheinlichkeit, dass die Zinsen noch weiter ansteigen müssen. Die Märkte könnten da durchaus noch mal überrascht werden in den nächsten Monaten.“ Die US-Notenbank Fed hat für Juni eine Zinserhöhungspause avisiert. Aber zuletzt haben Spekulationen zugenommen, dass später im Sommer weitere Zinserhöhungen folgen könnten. Klaren weiteren Handlungsbedarf sieht Adrian für die Europäische Zentralbank (EZB): „Die EZB hat wohl noch eine Wegstrecke vor sich und muss ihre Leitzinsen weiter anheben.“

Der Dollar und die US-Staatsanleihen sind von zentraler Bedeutung für die globalen Kapitalmärkte. Wenn das Risse bekäme, hätte das sehr gravierende Konsequenzen.

Tobias Adrian
Interview Seite 7

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