Neuwahl des Oberhauses

Japans Regierungskoalition erleidet Wahldebakel

Trotz der Mandatsverluste bei der Oberhauswahl will Japans Premierminister Shigeru Ishiba im Amt bleiben. Das könnte zunächst funktionieren. Doch die politische Stabilität ist dahin, was in der aktuellen wirtschaftlichen Lage und angesichts der US-Zolldrohung ein Problem darstellt.

Japans Regierungskoalition erleidet Wahldebakel

Japans Regierungskoalition erleidet nächstes Wahldebakel

Fortführung als Minderheitsregierung geplant – Ruhe aus Sorge vor dem politischen Knall

mf Tokio

Aufgrund der hohen Zugewinne von rechtspopulistischen Parteien hat die japanische Minderheitsregierung von Premier Shigeru Ishiba bei der Wahl am Sonntag ihre Mehrheit im Oberhaus verloren, ihre zweite Niederlage nach dem Verlust der Mehrheit im Unterhaus Ende Oktober. Damit untergraben nun auch in Japan Rechtspopulismus und Polarisierung die politische Stabilität.

Kurzzeitige Gewinne beim Yen

Die befürchteten Ausschläge bei Aktienkursen und Anleiherenditen blieben jedoch, abgesehen von einer kleinen Bewegung beim Yen, aus. Das lag nicht nur daran, dass die Tokioter Börse wegen eines Feiertags geschlossen war. Vielmehr will Ishiba auch ohne Mehrheiten weiterregieren. Er werde das Ergebnis „demütig hinnehmen“ und „weiterhin Verantwortung für nationale Angelegenheiten übernehmen“, erklärte der Premier unter Verweis auf die laufenden Verhandlungen mit den USA über ein Zollabkommen. Ohne Vertrag tritt zum 1. August ein US-Einfuhrzoll von 25% auf alle japanischen Waren in Kraft.

Die erstarkte Opposition könnte Ishiba zwar jederzeit über ein Misstrauensvotum stürzen. Allerdings sind sich diese Parteien nicht einig genug, um selbst eine Regierungskoalition zu schmieden. Auch droht Ishiba ein Aufstand innerhalb der eigenen Liberaldemokratischen Partei (LDP), die seit 70 Jahren fast ununterbrochen regiert und immer mindestens eine Parlamentskammer kontrollierte. Das konservative LDP-Schwergewicht Taro Aso sagte, er könne Ishiba als Premier „nicht akzeptieren“. Allerdings scheinen mögliche Nachfolger erst einmal in Deckung zu bleiben. „Niemand will Ishiba in dieser für die LDP so schwierigen Zeit ersetzen“, sagte der Politologe Masahiro Iwasaki von der Nihon-Universität der Agentur Kyodo.

Regierung auf wackligem Grund

Bei der Neuwahl von 125 der 248 Sitze des Oberhauses verpasste die Regierungskoalition aus LDP und buddhistischer Komei-Partei das selbstgesetzte Ziel, ihre Mehrheit in der zweiten Parlamentskammer zu behalten. Allerdings fehlten der Koalition am Ende nur drei Sitze, ein unerwartet knapper Ausgang im Vergleich zu den Prognosen. Die LDP dürfte nun versuchen, einige unabhängige Abgeordnete auf ihre Seite zu ziehen. Selbst wenn dies gelingt, steht die Regierung aber weiter auf wackeligem Grund. Ishiba hätte die Option, sein Regierungsbündnis zu erweitern. Aber einige Oppositionsparteien erklärten bereits, sie würden in keine große Koalition eintreten. Offenbar bezweifeln sie, dass Ishiba mittelfristig Premier und LDP-Chef bleibt.

Damit bleibt dem 68-jährigen Politiker nur die Option einer punktuellen Zusammenarbeit mit der Opposition, wie er es bereits seit neun Monaten praktiziert. Ohne schmerzhafte Zugeständnisse, etwa bei den Steuern, wird dies nicht gelingen. So lehnte der Regierungschef vor der Wahl Oppositionsforderungen nach einer Senkung der Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel ab. Statt dessen versprach er jedem Bürger eine Barzahlung von 20.000 Yen (116 Euro) bis zum Jahresende, um den Verlust der Kaufkraft durch die ungewohnt hohe Inflation auszugleichen.

Rechtspopulisten triumphieren

Laut japanischen Medien ist das Wahldebakel der LDP auf die Unzufriedenheit vieler Wähler mit den sinkenden Reallöhnen und die starke Zunahme an ausländischen Arbeitskräften und Touristen zurückzuführen. Davon profitierten zwei junge, rechtspopulistische Parteien am meisten, die größte Oppositionsgruppe, die Konstitutionelle Demokratische Partei von Ex-Premier Yoshihiko Noda, dagegen kaum. Die Sansei-Partei erhöhte die Zahl ihrer Sitze im Oberhaus von zwei auf 14 und die Demokratische Partei für das Volk von 9 auf 17. In der Summe erhielten sie über die Parteienliste einer Schätzung zufolge mehr Stimmen als die LDP.

Die Sansei-Partei zog mit dem offen fremdenfeindlichen Slogan „Japaner zuerst“ in den Wahlkampf und warf der Regierung eine Politik der „verdeckten Einwanderung“ vor. Die Zahl der Ausländer mit Wohnsitz wuchs im Vorjahr um 10% auf knapp 4 Millionen. Ausländer, die aus demografischen Gründen als Arbeitskräfte angeworben werden, würden die soziale Harmonie im Land stören, meint die Sansei-Partei. Ihr Gründer Sohei Kamiya nannte die AfD und andere rechte Parteien in Europa als seine Vorbilder.

Die rechtskonservative Demokratische Partei für das Volk mit ihrem charismatischen Vorsitzenden Yuichiro Tamaki ist nun die drittstärkste Kraft im Parteiensystem, was ihrer wichtigsten politischen Forderung nach Steuersenkungen Nachdruck verleiht. „Beide rechte Parteien konnten die Wut der jüngeren Generationen auf das politische System der Silberdemokratie (Anmerkung: Silber steht in Japan für die grauen Haaren der Senioren) und eine Wirtschaft mit steigenden Lebenshaltungskosten und stagnierenden Löhnen für sich nutzen“, meinte der US-Analyst Tobias Harris.