ZUR LAGE DER DEUTSCHEN WIRTSCHAFT

Konjunkturampel springt auf Grün

Bevorstehender Aufschwung scheint ausgemachte Sache zu sein - Erneuter flächendeckender Lockdown derzeit unwahrscheinlich

Konjunkturampel springt auf Grün

Dass die deutsche Wirtschaft vor einem neuen Aufschwung steht, darüber sind sich die Ökonomen wohl einig. Auch, dass der coronabedingte Absturz doch nicht, wie zunächst befürchtet, kräftiger als in der Finanzkrise von 2009 ausfallen wird. Dies signalisiert auch die Konjunkturampel der Börsen-Zeitung für 2021.ba Frankfurt – Die Ökonomenzunft ist sich in weiten Teilen einig: Die deutsche Wirtschaft steht nach der coronabedingten Rezession vor einem Aufschwung. Dies signalisiert auch die Konjunkturampel, die das Prognoseinstitut Kiel Economics für die Börsen-Zeitung berechnet. Im September ist sie für das Jahr 2021 wieder auf Grün gesprungen. Signalgeber sind mehr als 50 erwartungsbasierte Indikatoren, anhand deren sich die Wahrscheinlichkeit berechnet, dass die deutsche Wirtschaft in einer ausgeprägten Abschwungphase wie zuletzt 2008 / 2009 ist.Ein neuerlicher Lockdown, der den Aufschwung verhindern könnte, sei derzeit eher unwahrscheinlich, sagte Carsten-Patrick Meier, Chef von Kiel Economics, einer Ausgründung aus dem Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Politik, Wirtschaft, Medizin und vor allem auch die Menschen selbst hätten aus dem Lockdown gelernt. Daher könne ein abermaliges Herunterfahren der gesamten Aktivität wohl vermieden werden. Etwas anders sei allerdings die Lage bei den wichtigen Handelspartnern in Europa und in den Vereinigten Staaten, die mit wieder steigenden Ansteckungszahlen zu kämpfen haben. Die Exportkonjunktur bleibt insofern zwar ein Risikofaktor, trübt die Konjunkturaussichten derzeit allerdings nicht. Gemessen an den Ifo-Exporterwartungen ist laut Meier eher das Gegenteil der Fall: Diese waren im Juli sogar auf den höchsten Stand seit Februar 2019 gestiegen, bevor sie sich im August wieder etwas eintrübten.Die Wirtschaft hat nach dem Ende des Lockdowns Anfang Mai eine kräftige Aufholjagd begonnen, der Erholungsprozess ist allerdings immer noch nicht abgeschlossen. Das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird im dritten Quartal mit einer hohen Rate im Plus sein – allerdings wird diese Meier zufolge nicht wie zunächst erwartet im zweistelligen Bereich liegen. Denn der Tiefpunkt der gesamtwirtschaftlichen Produktion ist im April zu verorten, so dass der BIP-Einbruch um 9,4 % im zweiten Quartal die Produktionszuwächse nach dem Ende des Lockdowns bereits enthält. Selbst wenn die Produktion im Sommerquartal gar nicht mehr gestiegen wäre, würden schon allein die kräftigen Zuwächse im Mai und im Juni zu einem deutlich höheren durchschnittlichen Niveau des BIP im dritten Quartal beitragen. Laut dem Statistischen Bundesamt hat das produzierende Gewerbe die Fertigung auch im Juli ausgeweitet. Der Output liegt aktuell 24 % über dem Wert vom April, unterschreitet allerdings das Vorkrisenniveau von Februar, dem letzten vollständigen Monat vor Inkrafttreten der Schutzmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie noch um knapp 12 %. Optimistischer als KonsensDass die Erholung noch länger dauern wird, deuten auch andere Indikatoren an. Laut einer Ifo-Umfrage ist die Kapazitätsauslastung mit aktuell 75,2 % von der Normalauslastung von 83,5 % noch ein gutes Stück entfernt, auch die Arbeitslosenquote lag im August mit 6,4 % weiter um 1,5 Prozentpunkte über dem Vorkrisenniveau. In dieser Zahl zeigen sich die nach wie vor gültigen Betriebseinschränkungen im Dienstleistungsbereich, vor allem im Gastgewerbe und für Veranstaltungen. Allein die Industrie braucht mindestens bis zum Jahresende, um wieder auf Vorkrisenniveau zu kommen – auch wenn das Tempo im Vergleich zu Juli noch einmal anzieht.Für 2020 insgesamt zeichnen die Umfrageindikatoren, auf denen die Konjunkturampel basiert, ein etwas günstigeres Bild als der Ökonomenkonsens. Mittlerweile erwarten die Prognostiker, dass das BIP um 5,5 % bis 6 % sinken wird – das entspricht der Größenordnung des Finanzkrisenjahres 2009. Der Blick auf Umfragen zur Veränderung des Kapazitätsauslastungsgrades im verarbeitenden Gewerbe und im Bauhauptgewerbe zeigt, dass sich für das Gesamtjahr 2020 ein Einbruch von 8,2 % im Jahresvergleich ergibt, wenn man die bislang bis zum dritten Quartal vorliegenden Daten bis zum Jahresende fortschreibt. Dies ist erheblich weniger als die 2009 von den Unternehmen gemeldeten 12,8 %.Ein ähnliches Bild ergibt sich Meier zufolge auch bei der Einschätzung der Geschäftslage. Diese erfasst anders als die Umfrage zur Kapazitätsauslastung auch die Stimmung im Groß- und Einzelhandel sowie in zahlreichen Dienstleistungsbranchen. Diese Lagebeurteilung (siehe Grafik)”dürfte sich im Gesamtjahr wohl mit 11 Indexpunkten dramatisch gegenüber dem Vorjahr verschlechtern, doch weitaus weniger stark als im Jahr 2009 mit – 19 Indexpunkten”, sagte Meier. Darauf deuteten nicht zuletzt die jüngsten Daten zu den Geschäftserwartungen der Unternehmen hin. Hintergrund dürfte dabei auch die Tatsache sein, dass sich die Auftragsbestände der Indus-trieunternehmen in der laufenden Rezession deutlich weniger verringert haben als 2008 / 2009 und in anderen früheren Rezessionen. Eindeutiges SignalWerden nun diese merklich geringeren Veränderungen der Umfrageindikatoren auf die für das Gesamtjahr zu erwartende Rückgangsrate für das reale Bruttoinlandsprodukt umgerechnet, käme laut Meier derzeit eher ein Wert von 4 % heraus. Da die Stärke des Aufschwungs nicht zuletzt davon abhänge, wie tief die Rezession im laufenden Jahr tatsächlich ausfalle, würde in diesem Fall der gesamtwirtschaftliche Produktionsanstieg im kommenden Jahr um 1 bis 1,5 Prozentpunkte weniger dynamisch ausfallen als jene 4 bis 5 %, die der Konsens aktuell für das Jahr 2021 erwartet. Die Konjunkturampel für das Jahr 2021 stehe aber so oder so klar auf Grün, betonte Meier.