Geldpolitik

Lagarde erteilt Zinswende klare Absage

Die Fed steuert angesichts der hohen Inflation auf eine aggressive geldpolitische Straffung zu. Die EZB will davon bislang nichts wissen. Aber die Sorgen nehmen zu, auch intern – und damit auch die Richtungsdebatte.

Lagarde erteilt Zinswende klare Absage

ms Frankfurt

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat einer raschen Zinswende im Euroraum und erst recht einer aggressiven geldpolitischen Straffung, wie sie sich in den USA abzeichnet, eine klare Absage erteilt. Die Europäische Zentralbank (EZB) müsse nicht so aggressiv vorgehen, wie es die US-Notenbank Fed voraussichtlich tun werde, sagte Lagarde am Donnerstag dem französischen Hörfunksender France Inter. Im Konjunkturzyklus seien die USA dem Euroraum voraus. Sie untermauerte zudem die Erwartung, dass die rekordhohe Inflation 2022 sinken werde: „Wir haben also allen Grund, nicht so schnell und rabiat vorzugehen, wie man es sich bei der Fed vorstellen kann“, sagte Lagarde.

Märkte spekulieren munter

Mit ihren Aussagen grenzt Lagarde die EZB noch einmal strikt von der Fed ab, die angesichts von 7% Inflation auf eine umfassende geldpolitische Straffung zusteuert. Sie erhöht womöglich schon im März das erste Mal seit der Akutphase der Coronakrise ihren Leitzins und könnte in diesem Jahr drei weitere Zinserhöhungen folgen lassen – oder mehr. Zudem hat sie avisiert, rasch auch mit dem Abbau der aufgeblähten Notenbankbilanz zu beginnen. Ein solcher Gleichklang bei der Straffung ist beispiellos. Lagarde stemmt sich mit den Aussagen zudem gegen zunehmende Spekulationen, dass auch die EZB womöglich schon 2022 erstmals ihren Leitzins anhebt. Die Märkte preisen das inzwischen ein.

Lagarde sagte, dass sie davon ausgehe, dass sich die Inflation 2022 stabilisiere und es schrittweise zu einem Rückgang der Teuerungsrate komme. Im Dezember hatte die Inflation den Rekordwert von 5% er­reicht. In den Folgejahren sei dann eine weitere Entspannung an der Preisfront zu erwarten, da die Energiepreise nicht dauerhaft klettern dürften und sich auch die Materialengpässe nach und nach auflösten. Die EZB-Ökonomen sagen aktuell für 2022 eine durchschnittliche Teuerungsrate von 3,2% voraus. 2023 soll sie dann auf 1,8% fallen und 2024 auf diesem Niveau verharren.

Allerdings wachsen die Sorgen, dass die Inflation nicht so rasch und womöglich auch nicht so stark sinken wird wie von der EZB erwartet. Dazu trägt insbesondere der anhaltende Preisdruck auf den den Verbraucherpreisen vorgelagerten Preisstufen bei. Das schürt Zweifel, dass der Teuerungsschub rein temporär ist – als Folge von Entwicklungen in Zusammenhang mit der Pandemie.

Am Donnerstag nährten neue Preisdaten aus Deutschland solche Bedenken. Das Statistische Bundesamt teilte mit, dass die hohen Energiekosten die Erzeugerpreise für gewerbliche Produkte in Deutschland im Dezember auf einen Nachkriegsrekord getrieben haben. Die Preise lagen demnach um 24,2% über dem Wert aus dem Vorjahresmonat. Eine derartige Steigerung habe es in der Bundesrepublik noch nicht gegeben, so die Statistiker. Im Jahresdurchschnitt ergab sich zum Vorjahr ein Anstieg um 10,5% – nach einem Rückgang von 1% 2020.

Inzwischen nehmen auch innerhalb der EZB die Sorgen und die Debatte über die Inflationsaussichten zu. Das war bereits nach der bislang letzten Zinssitzung Mitte Dezember durchgesickert (vgl. BZ vom 17.12.2021). Das bestätigte auch das am Donnerstag veröffentlichte Protokoll der Sitzung. Demnach gab es eine Diskussion darum, ob sich die Inflation länger als erwartet halten könnte. Ein solches Szenario ist aus der Sicht einiger Währungshüter nicht auszuschließen. Sie verwiesen darauf, dass die EZB bei ihrer Projektion für die Inflationsentwicklung in den Jahren 2023 und 2024 bereits dicht am Inflationsziel von 2,0% steuere. Da diese Vorhersage mit Aufwärtsrisiken behaftet sei, könne gut und gerne ein Wert über der Zielmarke herauskommen.

Vor allem in Deutschland ist der EZB-Kurs aktuell wieder heftig umstritten. Erst am Dienstag hatte der designierte CDU-Chef Friedrich Merz vor einer anhaltend hohen Inflation gewarnt und baldige Ge­genmaßnahmen der EZB gefordert.

Damit ist der neue Bundesbankchef Joachim Nagel gleich zu Beginn seiner Amtszeit extrem gefordert. Er hat zu Jahresbeginn das Amt von Jens Weidmann übernommen, der auch aus Frust über die ultralockere Geldpolitik der EZB vorzeitig zurückgetreten ist. In seiner Antrittsrede hatte Nagel vor der Gefahr einer länger hohen Inflation gewarnt und die EZB zu Wachsamkeit ermahnt (vgl. BZ vom 12. Januar).

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