Lieferkettengesetz geht in die Verlängerung
rec Frankfurt
Auch ein neuerliches Spitzengespräch unter Vermittlung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat keinen Durchbruch in den festgefahrenen Verhandlungen über ein umstrittenes Lieferkettengesetz gebracht. Im Anschluss an die kurzfristig anberaumte Runde mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) am Freitag berichteten die Häuser von Heil und Müller von Fortschritten, eine Einigung habe es aber nicht gegeben.
Heil und Müller dringen auf ein Gesetz, das Unternehmen Sorgfaltspflichten im Umgang mit ihren Zulieferern im Ausland auferlegt. Damit wollen sie gegen Kinder- und Zwangsarbeit und andere Menschenrechtsverstöße in den Lieferketten deutscher Unternehmen vorgehen. Auch Umweltbelange sollen eine Rolle spielen. Über die konkrete Ausgestaltung gibt es seit Monaten Streit mit Wirtschaftsminister Altmaier.
Das SPD-geführte Arbeitsministerium teilte am Freitag in Berlin mit, es habe eine Annäherung in wichtigen Sachfragen gegeben, aber noch keinen Abschluss. Ziel bleibe es, ein wirksames Lieferkettengesetz noch in dieser Wahlperiode zu verabschieden. Ein Sprecher von Müllers Ministerium sprach nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters von intensiven Verhandlungen. „Es gab gute Fortschritte bei vielen Punkten, aber noch nicht bei allen ist man am Ziel.“ Details wurden nicht bekannt. Einer der verbliebenen Streitpunkte ist, ob Beschäftigte von Zulieferern aus dem Ausland Anspruch auf Schadenersatz vor deutschen Gerichten haben sollen. Dem Vernehmen nach könnte ein Verzicht auf eine solche zivilrechtliche Haftung deutscher Firmen für Menschenrechtsverstöße ausländischer Geschäftspartner Basis eines Kompromisses innerhalb der großen Koalition sein. Regierungssprecher Steffen Seibert hatte am Mittag, während die Gespräche auf höchster Ebene liefen, gesagt: Es seien noch schwierige Fragen zu klären. Es gehe auch darum, wofür Firmen in Haftung genommen werden könnten. „Das ist ein für uns alle wichtiges, wenn auch schwieriges Projekt“, sagte Seibert.
Das Vorhaben ist in der Union heftig umstritten. Während beispielsweise der Arbeitnehmerflügel der CDU auf Sorgfaltspflichten pocht, bekräftigte der Wirtschaftsrat am Freitag seine strikte Ablehnung. „Es kann nicht sein, dass die große Koalition mitten in der größten Rezession der Nachkriegsgeschichte den Unternehmen mit dem Lieferkettengesetz ohne Not neue Steine in den Weg legt“, sagte Wolfgang Steiger, Generalsekretär des eng mit der CDU verbundenen Berufsverbands. „Statt immer neuer bürokratischer Vorgaben braucht die Wirtschaft jetzt dringender denn je ein Belastungsmoratorium.“ In der Initiative Lieferkettengesetz organisierte Menschenrechtler, Ökonomen und Unternehmer kritisierten mit Verweis auf eine Abmachung im Koalitionsvertrag den Verzug und warnten vor einer Verwässerung von Vorschriften.